Prof. Patzelt, die Burschenschaft Cheruscia und die Suche nach dem Platz zwischen CDU und NPD

Prof. Werner Patzelt, Inhaber des „Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich“ an der TU Dresden hat auf politischer Ebene keine Berührungsängste. Er steht überall Rede und Antwort, vom Neuen Deutschland bis zur Jungen Freiheit. „Links“ bzw. „rechts“ von diesen gibt es ohnehin kaum noch Unterschiede zueinander - so sagt es zumindest die Hufeisentheorie, wie sie beispielsweise von Patzelt und dessen „guten Freund Eckhard Jesse“ vertreten wird. Am 26.5. referierte er im Haus der Burschenschaft Cheruscia zum Thema „Wie viel Platz ist zwischen CDU und NPD?“ Nach eigenem Bekunden ist er bereits zum dritten Mal einer Einladung der Burschenschaft gefolgt. Dies verwundert kaum, angesichts der Tatsache, dass Patzelt auch regelmäßig als Schirmherr der Ringvorlesung „Füxe, Kneipen und Couleur“, die von der „Gesellschaft zur Förderung studentischer Kultur“ (GFSK) meist jährlich organisiert wird, in Erscheinung tritt. Die GFSK ist ein Netzwerk der reaktionäreren Dresdner Korporationen (Cheruscia, Corps Teutonia, KDSTV Chursachsen und Turnerschaft Germania), die auf diese Weise versuchen, das Ansehen studentischer Verbindungen zu verbessern, ihren eigenen  Verbindungshintergrund aber in der Regel verschweigen.

Die Burschenschaft Cheruscia als im Dachverband der Deutschen Burschenschaft (DB) organisierte Verbindung muss dabei zwangsläufig sämtliche kritischen Blicke auf sich lenken. Politische Größen wie Alexander Kleber von der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“, der jahrelang den Nazigroßaufmarsch am 13.2. angemeldet hat, oder Holger Szymanski, der Pressereferent der sächsischen NPD-Fraktion im Landtag, gingen aus ihr hervor. 1998 kam es außerdem zu einem überregionalen Skandal, weil von der Burschenschaft Cheruscia zusammen mit anderen Burschenschaften, Revisionistenkreisen und Nazis in Räumlichkeiten der TU ein Winterkolleg zu „Erkenntnissen in der Militärgeschichte“ organisiert wurde.

Die Schwäche der Extremismustheorie bewies Patzelt mit der mangelnden Fähigkeit, den Begriff „rechts“ (wie auch „links“) mit Inhalt zu füllen. Gründe für eine große, von keiner Partei abgedeckte Lücke zwischen CDU und NPD liegen Patzelt zufolge vor allem an den Nachwirkungen des Nationalsozialismus sowie am Mangel intellektueller Kräfte im rechtskonservativen Bereich, auch innerhalb der CDU. Dass Deutschland den Nationalsozialismus „durchgemacht“ (O-Ton Patzelt) habe, führte eben dazu, dass nicht mit der selben Selbstverständlichkeit wie in anderen Ländern „rechte“ Parteien von Bedeutung existieren. Gleichzeitig bemängelte er aber den fehlenden Nationalstolz der geläuterten Nation.

Für das CDU-Mitglied Patzelt ist das Fehlen einer Partei zwischen CDU und NPD, anders als für die meisten Personen im Raum, kein gravierendes Problem. Mit nicht wenig Anerkennung zitierte er das Strauß-Theorem („Rechts der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“) und bestritt die Möglichkeit, rechts von der Union „vernünftige politische Positionen zu beziehen.“ Deshalb rief der Vortrag trotz aller Begeisterung angesichts eines so prominenten Redners offenen Widerspruch bei einigen Burschen hervor. Felix Menzel, Chefredakteur des Magazins Blaue Narzisse (1), erklärte dann auch erst mal, was „rechts“ und „konservativ“  eigentlich sei: Die Orientierung an einer „Philosophie des gesunden Menschenverstandes, dem Konsens“. Der Unterschied auf linker Seite, der auch geklärt sein sollte, läge im Glauben, dass das Leben „nach mathematischen Formeln“ ablaufe – vermutlich war das ein Versuch Menzels, der übrigens das deutsche Kaiserreich als „modernsten Staat der Welt“ bezeichnete, Kritik am Materialismus zu äußern. Außerdem bedeute eine rechtskonservative Position eine massenkritische Haltung. Wie Menzel der Burschenschaft aus dem Herzen und weniger aus dem Verstand sprach, so war man sich auch einig, dass die Massenmedien eine große Schuld am Fehlen einer neuen Rechtspartei trugen.

Die Suche nach der Lücke zwischen CDU und NPD konnte an diesem Abend, wenn auch nicht im Vortrag, doch ein Ende finden: Die Burschenschaft Cheruscia füllt diese Lücke mehr als aus, ohne dabei Berührungsängste mit CDU- Mitgliedern oder Nazis von der NPD zu haben. In der irrationalen und widersprüchlichen Welt der konservativen Revolution, die den Raum von der Diskussion bis zum Büchertisch (Blaue Narzisse, Sezession sowie diverse weitere Schriften aus dem „Institut für Staatspolitik“(2)) deutlich erfüllte, spielt das aber folgerichtiger Weise keine Rolle. Für Werner Patzelt, den ebenfalls keine größeren Abgrenzungsbedürfnisse plagten, auch nicht.


(1) Die Blaue Narzisse wurde 2004 von Mitgliedern der Schülerburschenschaft „Theodor Körner“ in Chemnitz gegründet. Inhaltlich steht sie der sogenannten „Neuen Rechten“ um „Konservativ-Subversive Aktion“ und der Wochenzeitung Junge Freiheit nahe. Die wichtigsten Schlagwörter des Webblogs sind: „Volk“, „Überfremdung“, „Islamisierung“, „Dekadenz“ und „Linksextremismus.“
(2) Das „Institut für Staatspolitik“ ist eine von Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann gegründete private Einrichtung zur Förderung von Forschung und Bildung im Bereich der „Neuen Rechten.“ Zentraler Unterschied zum heutigen Nazispektrum ist die Abgrenzung zu plumbem Populismus und NS-Rhetorik, stattdessen spielen Elitarismus, Revisionismus und Anlehnung an nationalkonservative Bestrebungen vor der NS-Zeit eine große Rolle.