Freiheit zur Unfreiheit! Neues „Hochschulfreiheitsgesetz“ lähmt Studierendenschaft

Pressemitteilung, 20. September 2012

Studierende diskutierten heute heftig mit Geert W. Mackenroth (CDU, Staatsminister a. D.) sowie Prof. Günther Schneider (CDU) zur geplanten Novelle des Sächsischen Hochschulgesetzes

Nächsten Mittwoch stimmt der Landtag über das neueHochschulfreiheitsgesetzab. Doch das Gesetz dient nicht dazu, den Studierenden mehr Freiheiten zu geben. Stattdessen versetzt es der verfassten Studierendenschaft den Todesstoß. Im Dresdner Hörsaalzentrum diskutierten sächsische Studierende, u.a. aus Dresden, Leipzig, Freiberg, Mittweida und Chemnitz, heute heftig mit Geert W. Mackenroth (CDU, Staatsminister a. D.) sowie Prof. Günther Schneider (CDU) über das geplante Gesetz.

Seit der Wende hat jeder der bisher fünf Wissenschaftsminister am Hochschulgesetz herumgeschraubt. Jeder dachte, er tue damit Sachsens Hochschulen etwas Gutes. Doch oft „verschlimmbesserten“ die neuen Paragraphen die Dinge nur. So auch dieses Mal. Zu den von der CDU/FDP-Landesregierung jetzt geplanten Novellierungen gehört unter anderem die Einführung von Langzeitstudiengebühren. Absurd ist, dass auf der anderen Seite ein verkürzter Abschluss des Studiums mittels eines „Freiversuchs“ mit dem neuen Gesetz ebenfalls unmöglich werden soll. Der Freiversuch ermöglichte es bislang, eine Prüfung früher als vorgesehen abzulegen, ohne dass ein Nichtbestehen negative Auswirkungen hätte. Besonders gravierend ist jedoch, dass die Gesetzesnovellierung entgegen dem Votum von Studierenden, Rektorinnen und Rektoren, Verbänden und Hochschulexpertinnen und -experten ohne jegliche Möglichkeit zur inhaltlichen Diskussion die verfasste Studierendenschaft angreift und damit also die studentische Mitbestimmung stark einschränkt.

Bislang gehört jeder Studierende automatisch zur verfassten Studierendenschaft und zahlt dafür beispielsweise an der TU Dresden derzeit 4,60 Euro pro Semester. Mit dem Austritt fallen für die Studenten alle Leistungen der Studentenschaften sowie der Fachschaftsräte weg, da diese aus den Mitgliedsbeiträgen bezahlt werden. Dazu gehören beispielsweise Studienberatungen, Verbesserungen der Lehre oder auch die Vermittlung bei Problemen zwischen Dozenten und Studenten. Das neue Hochschulgesetz soll Studenten nach Ablauf des ersten Semesters die Möglichkeit geben, aus der verfassten Studentenschaft auszutreten. Auf den ersten Blick sieht es natürlich nach mehr Freiheit aus, wenn man ein paar Euro sparen kann. Doch Andreas Spranger, Geschäftsführer Hochschulpolitik im Studentenrat der TU Dresden gab in der Diskussion zu bedenken: "Eine Solidargemeinschaft setzt auf starke Mitglieder, die die Schwachen stützen. Gibt man den Starken die Möglichkeit, aus dieser Gemeinschaft auszutreten, bleiben die Schwachen auf der Strecke."

Auch die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) sieht die Gefahr, dass viele Studierende bei ihrer Entscheidung nur den persönlichen finanziellen Aspekt berücksichtigen, statt sich damit auseinander zu setzen, welche inhaltlichen Konsequenzen dahinter stehen. „Mit dem Austritt verlieren die Studierenden auch jegliche Möglichkeit zur Mitbestimmung. Damit machen sie sich zu Beherrschten ohne Einfluss, die scheinbare Wahlmöglichkeit ist also nur eine Freiheit zur Unfreiheit.“, begründete Florian Sperber, Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS), in der heutigen Debatte seine Kritik. Die KSS ist der Zusammenschluss aller Studierendenräte der sächsischen Hochschulen und vertritt damit derzeit rund 102.000 Studentinnen und Studenten und somit alle Studierenden der staatlichen Hochschulen Sachsens.

Was dabei jedoch leider kaum jemand beachtet, ist die enorme Tragweite dieser Gesetzesänderung: „Hier wird über eine Gesetzesnovelle abgestimmt, deren Inhalte die Studierendenvertretung zum Teil in ihrem Kernbereich betrifft, ohne dass man es für nötig hält, diese davon auch nur zu informieren! Außerdem scheint sich die Landesregierung keinerlei Gedanken über die Konsequenzen ihrer Entscheidung gemacht zu haben: Mit dem Austrittsrecht der Studierenden verliert die Studentische Selbstverwaltung nicht nur ihre finanzielle Planungssicherheit, dies kann sich auch auf die Legitimation der studentischen Mitbestimmung in anderen Gremien auswirken.“, erläutert Daniel Rehda, ebenfalls Sprecher der KSS. Auch Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden, äußerte sich kritisch: „Ich verliere dadurch meinen Ansprechpartner für die gesamte Studierendenschaft. Es ist zu befürchten, dass sich die Austritte zu einer Abwärtsspirale entwickelt. Ich bedaure es, dass das Gespräch im Vorhinein nicht gesucht wurde. So wie die Thematik bei der Anhörung angeschnitten wurde, konnte man das nicht ernst nehmen.“

„Für die Regierungskoalition ist die persönliche Freiheit des Einzelnen wichtiger als ein Solidarprinzip, das auch die Interessen von Minderheiten mit berücksichtigt. “, ergänzt Florian Sperber abschließend.


Weitere Informationen: www.kssnet.de, www.stura.tu-dresden.de, www.stura.htw-dresden.de, http://hochschulgesetz.blogsport.de/

Über die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS):

Die KSS ist der Zusammenschluss aller Studierendenräte der sächsischen Hochschulen. Die KSS vertritt damit rund 102.000 Studentinnen und Studenten und somit alle Studierenden der staatlichen Hochschulen Sachsens.