Informationen zur sog. Identitären Bewegung

 
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“
– Artikel 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
 
 
Die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (IB) erhält viel Aufmerksamkeit der Medien, obwohl sie deutschlandweit nur einige hundert Anhänger*innen aufweist. Auch in Dresden gibt es eine recht aktive Lokalgruppe, die versucht, sich als junge, hippe und patriotische Studierendenbewegung zu inszenieren. Hinter dieser Fassade stecken jedoch knallharte Nazi-Ideologie, extrem rechte Akteur*innen und menschenfeindliche Absichten.
Diese Website stellt Informationen, Hintergründe und Erkennungsmerkmale zusammen. Passend zur Website gibt es einen kurzen Info-Flyer, der auf einfache Weise die Grundlagen zur „Identitären Bewegung“ erklärt. Hier kannst du ihn runterladen, ausgedruckt kannst du ihn sehr gerne bekommen – melde dich bei uns.
 
Es liegt an uns allen, extrem rechte Umtriebe entschieden zu unterbinden!
 
 

Inhaltsverzeichnis:

 

 

1. Wie dieser Text zu lesen ist

 
Hinter vielen Ausdrücken und Begriffen steht ein bestimmtes Bild oder politisches Konzept. Auch die IB versucht durch neue Begriffe ihre extrem rechten Ideen zu verhüllen oder ein falsches Bild zu vermitteln. Deswegen wollen wir euch kurz erläutern wieso und wie wir einige Begriffe verwenden bzw. nicht verwenden.
 

„Identitäre Bewegung“

  • Wenn wir über die IB schreiben, nutzen wir den Ausdruck „sogenannte Identitäre Bewegung“, kennzeichnen die Eigenbezeichnung durch Anführungszeichen oder die Abkürzung „IB“. Die Gruppe hat den Namen „Identitäre Bewegung“ bewusst gewählt um ein bestimmtes Bild zu vermitteln, dem sie nicht entspricht. Um dies deutlich zu machen und das Bild nicht weiter zu bedienen, wollen wir nicht den von Ihnen gewählten Namen ungekennzeichnet verwenden.
  • Zunächst will die IB sich als eine Jugendbewegung inszenieren. Darunter wird allgemein eigentlich ein (relativ großes) soziales System aus verschiedenen informellen und später formellen Gruppen verstanden, die auf einen gesellschaftlichen Wandel abzielen. Die IB möchte damit den Eindruck erwecken, das hinter dem Namen eine große Anzahl von Menschen steht und nicht nur eine einzelne Gruppe mit wenigen hundert Mitgliedern [1].
  • Auch der Begriff „Identität“, wie die IB ihn verwendet, ist kritisch zu betrachten. Die IB geht davon aus, dass eine Gruppe, bezeichnet als „Volk“, aufgrund territorialer und kultureller Gegebenheiten zwangsläufig eine gemeinsame, kollektive Identität aufweise. Alle Menschen, die von den Normen dieses vermeintlichen Kollektivs abweichen, müssen sich diesem entweder unterwerfen oder werden vertrieben bzw. entfernt. Die ideologische Nähe zu neonazistischen Überzeugungen sowie der totalitäre Machtanspruch der damit propagiert wird, sprechen für sich. Eine weitere Spielart des Begriffs ist die der „ethnokulturellen Identität“, welcher auch ein zentrales Thema der IB-Agenda darstellt und somit ideologisch aufgeladen ist (mehr zur „ethnokulturen Identität“ im Abschnitt „Themen der IB“). Aus diesen Gründen möchten wir diese Begriffe nicht unkommentiert verwenden.

extrem rechts

  • Wir haben uns dafür entschieden, den Begriff „rechtsextrem“ nicht zu verwenden. Die Begriffe des Rechtsextremismus und Linksextremismus fußen auf der wissenschafltich höchst umstrittenen Extremismustheorie, laut der es neben der „gesellschaftlichen Mitte“ zwei Pole gebe, die sich in ihrem Extremismus letzlich wieder annähern würden. Dabei wird eine inhaltliche Ausrichtung übergangen. Es wird ignoriert, dass u.a. Gewalt gegen Frauen auch aus der Mitte der Gesellschaft getragen wird, während gleichzeit Kritik, z.B. an rassistischen Zuständen, als linksextrem abgetan werden kann.
  • Zudem werden alle politischen Positionen auf ein links-rechts-Kontinuum projiziert, was die Darstellbarkeit von anderen Überzeugungen einschränkt. Ist liberal z.B. rechts oder links der Mitte?
  • Schließlich führt die Extremismustheorie auch zu unverhältnismäßigen Gleichsetzungen. In der gegenwärtigen Politik wird oft auf linke Autonome als „linksextrem“ und somit angebliches Pendant zu Neonazis verwiesen: Sobald man darauf achtet, bemerkt man häufig folgendes (zugegeben hier überspitztes) Argumentationsmuster: ’Ja, dieser rechte Anschlag oder jenes Neonazi-Verbrechen seien zwar schlimm, aber linke Autonome vermummen sich auf Demos, das sei auch schlimm’. Diese verzerrte Darstellung verharmlost das unverkennbare Neonazi-Problem in Deutschland und ist hilfreiches Pseudo-Argument, wenn man sich damit nicht ernsthaft auseinandersetzen möchte.
  • Trotzdem hält sich die Extremismustheorie hartnäckig. Vielleicht, weil es leicht ist, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konflikten zu umgehen, wenn die „Mitte“ als unfehlbar und per se gut definiert wird. Wir lehnen dies ab.

„Alte“ und „Neue“ Rechte

  • Während die „alte Rechte“ sich offen zu einer autoritären Gesellschaftsform als Ziel bekennt, geht die „neue Rechte“ einen anderen Weg. Neu ist an diesen Rechten jedoch eigentlich nichts – nur ihre Taktik ist eine Andere [2]. So verzichten Akteur*innen der sogenannten „Neuen Rechten“ beispielsweise auf eine positive Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus. Nicht unbedingt, weil sie die Verbrechen der Nationalsozialist*innen anerkennen und die Ideologie ablehnen, sondern vielmehr weil dies taktisch für sie unklug wäre. Mehr Infos dazu findest du unter dem Abschnitt „Taktik“.

faschistisch/antifaschistisch

  • Wir verstehen Faschismus als politisch rechte Strömung, die darauf zielt, eine Gesellschaft nationalistisch, ethnisch und kulturell einheitlich zu gestalten. Dazu wird die Gegenwart als Niedergang der Zivilisation gebrandmarkt. Zeitgleich wird eine bessere Vergangenheit beschworen, zu deren Zuständen zurückgekehrt werden müsse. Wichtige Eigenschaften sind die Fixierung auf antidemokratische Führungspersonen, die Militarisierung, die Ablehnung von Individualismus zu Gunsten eines völkischen Kollektives und die Feindschaft gegenüber allem, was einer konstruierten Identität nicht entspricht. Gewalt nach innen, doch vor allem auch rassistisch motivierte Gewalt gegenüber Menschen, die nicht in das Bild des Volkes passen, ist maßgeblich.
  • „Faschistoid“ sind für uns Bestrebungen und Haltungen, die die faschistischen Ideologien nicht ablehnen, sondern relativieren und grundlegend mit ihnen übereinstimmen.
  • Antifaschistisch sind für uns Handlungen und Haltung, die faschistoiden und faschistischen Kräften entgegen stehen. Aus unserer Sicht muss jeder Mensch, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit befürwortet sowie Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ablehnt, antifaschistisch sein.
 
 

2. Grundlegende Fakten und Entstehung

 
Die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (IB) ist eine Organisation der „Neuen Rechten“, stellt jedoch selbst innerhalb dieser die extrem rechte Flanke dar. Die IB inszeniert sich als Jugendbewegung, die eine angeblich schweigende Mehrheit repräsentieren und adressieren würde. Durch die Ausrichtung von Veranstaltungen wie Buchvorstellungen versuchen sie sich als aktive und akademische Gruppe zu präsentieren. Meist fallen sie jedoch durch nicht angekündigte Aktionen im öffentlichen Raum auf; dazu zählen vorwiegend Störungen von politischen Veranstaltungen, das Verteilen von Flyern sowie Aufkleber- und Banneraktionen. Eins haben jedoch alle gewählten Aktionsformen gemein: Die IB versucht, sie medial aufzubauschen – insbesondere auf Social Media. Mehr dazu schreiben wir im Abschnitt zur Taktik.
 
Die IB ist eine Struktur, die es mittlerweile in mehreren europäischen Ländern gibt. Sie organisiert sich in Lokalgruppen, denen ein nationaler Dachverband übergeordnet ist. Die Anhänger*innen und Unterstützer*innen der IB sind eine Collage verschiedener rechter, völkischer, nationalistischer und neonazistischer Akteur*innen. Die Bezüge in eine extrem rechte Szene leugnet die IB jedoch und versucht diese durch eine eigene, davon angeblich unabhängige „Marke“ zu überdecken. Trotz der Selbstdarstellung als Massenbewegung wird die Mitgliederstärke der IB in Deutschland nicht über einige hundert hinaus geschätzt [3]. Die IB vernetzt sich national sowie international mit rechtspopulistischen, extrem rechten und neonazistischen Gruppen und Akteur*innen. Unter anderem bestehen z.T. sehr enge Verbindungen zur AfD (Alternative für Deutschland), JA (Junge Alternative, Jugendorganisation der AfD), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) [4], dem französischen Rassemblement National [5], der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) und Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Somit entsteht ein Netzwerk, das von konservativen Kräften bis hin zu gewaltbereiten Neonazis reicht.
 
Die historischen Wurzeln der IB liegen in Frankreich, wo sich der „Bloc identitaire“ bildete, der die Nachfolgeorganisation einer verbotenen, extrem rechten Gruppierung ist. Aufschlussreich ist, in wessen Tradition der „Bloc identitaire“ und somit auch die IB steht: Die extrem rechte Vorgängerorganisation (Unité radicale – UR) wurde verboten, nachdem aus ihren Reihen ein Mordanschlag auf Jacques Chirac verübt wurde.
Anfang der 2010er-Jahre breiteten sich „identitäre“ Gruppen in Frankreich, Österreich und Deutschland aus und bildeten Regionalgruppen. Sehr schnell gerieten sie in das Blickfeld von antifaschistischen Recherchegruppen und – um einiges später – in das von klassischen Medien. Inzwischen sind auch die Verfassungsschutzämter in Deutschland, deren Bewertung extrem rechter Gruppierungen und deren Umtrieben sonst zurückhaltend bis verharmlosend stattfindet, der Meinung, dass die „Identitäre Bewegung“ demokratiefeindlich agiert [6].
 
 

3. Themen

 
Die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (IB) vertritt extrem rechte Positionen, die große Überschneidungen mit neonazistischen und verschwörungstheoretischen Ideologien aufweisen. Hier wollen wir die geläufigsten Themen, Schlagwörter und Aussagen demaskieren und ihren extrem rechten Kern aufzeigen.
 

„Ethnokulturelle Identität“

Die Grundannahmen der IB beruhen auf der Vorstellung, es gebe „Völker“. Auf der IB-Website wird das „Staatsvolk“ definiert als „Kultur-, Abstammungs- und Solidargemeinschaft“. Kultur und Solidarität klingen erstmal gut, betrachtet man jedoch die Bedeutung der Abstammungsgemeinschaft genau, wird schnell die Analogie zum NS-Begriff der „Volksgemeinschaft“ offensichtlich. Nur wer mit „deutschem Blut“ geboren wurde, soll die Möglichkeit haben, an der „deutschen Solidargemeinschaft“ teilzuhaben. Mit dem Begriff der „ethnokulturellen Identität“ und ihrer eigenwilligen Interpretation von Kultur verschleiert die IB bewusst den rassentheoretischen Kern ihrer Ideologie. Im Interview mit der Zeit wird z.B. Mario Müller, Anführer der IB-Ortsgruppe Halle, deutlich [7]:
(Frage) Was ist denn das, „nichtdeutsch“?
(Müller) Das ist eine Frage der ethnokulturellen Identität.
(Frage) Ein Sohn türkischer Eltern, der in Stuttgart geboren und dort zur Schule gegangen ist, seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, kann der deutsch sein?
(Müller) Nein, kann er nicht. Ich kann ja auch einen Hund nicht einfach Katze nennen.
 

„Ethnopluralismus“

Genau wie die NPD propagiert die IB ein „Europa der Vaterländer“, in dem jedes „Volk“ seinen „angestammten Platz“ habe. Verpackt wird auch dieses nationalistische Bild mit einem schicken Wort: „Ethnopluralismus“. Dieser Begriff suggeriert Vielfalt, bedeutet jedoch das Gegenteil: Menschen sollen dort bleiben, wo sie geboren wurden, denn ein Austausch zwischen Kulturen wird als tödliche Bedrohung für Nationalstaaten und Volk dargestellt. Innerhalb dieses rassistisch begründeten Nationalismus wird jedem „Volk“ bzw. jeder „Kultur“ eine zwangsläufige Einheitlichkeit zugesprochen. Nicht zufälliger Weise erinnert das alles an die wissenschaftlich unhaltbaren „Rassentheorien“ der Nazis und ihrer ideologischen Vorläufer*innen. Doch neben der Widerlegung dieser Theorien kann man positiv entgegenhalten, dass uns Menschen sehr viel mehr als unsere kulturelle Prägung ausmacht, z.B. unser spezifischer sozio-ökonomischer Status, und dass der Austausch zwischen Kulturen sowie Migration wesentlich sind für den Fortschritt von Gesellschaften.
 

„Großer Austausch“ / Antisemitismus

Die Verschwörungstheorie vom „großen Austausch“ stellt ein zentrales Element fast aller modernen, extrem rechten Ideologien dar, auf die sich auch immer wieder rechte Terroristen beziehen (z.B. Christchurch, Halle). Unter den etwas weniger subtilen Schlagwörtern „Volkstod“ und „Umvolkung“ kursiert schon seit Jahrzenten der Grundgedanke des „großen Austauschs“ in neonazistischen Kreisen.
Menschen, die den „großen Austausch“ befürchten, hängen dem Glauben an, dass diffuse „Eliten“ das „deutsche Volk“ durch Migrant*innen ersetzten. Dabei sind „die Eliten“ wahlweise die Vereinten Nationen oder doch jüdische Unternehmer wie Georg Soros.
Die Argumentation, dass sich einflussreiche Mächte geheimnisvoll gegen Deutschland im böser Absicht verabreden, ist die klassische antisemitische Linie [8], die sich seit Jahrhunderten durch rechte Überzeugungen zieht. Insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, einen „Volkstod“ herbeizureden, ist eine unaushaltbare Relativierung der Shoa.
Zudem sei hier das offensichtliche gesagt: Diese Verschwörungstheorie entbehrt jeglicher Grundlage und ist – selbst bei komplettem Beiseitelassen des extrem rechten Gedankenguts – bei Betrachtung entsprechender Statistiken komplett haltlos.
 

Antifeminismus

In vielen Aussagen der „Identitären“ findet sich ein unverhohlen reaktionäres Familien- und Frauenbild, dass für Frauen hauptsächlich eine Betätigung als Mutter vorsieht. Es wird das völkische Narrativ vertreten, dass Frauen durch Fortpflanzung für das Überleben des Volkes verantwortlich seien. Die „Identitäre Bewegung“ schickt gerne Frauen ins Rampenlicht, um ihre Positionen vorzutragen. Doch damit ist kein emanzipatorisches Element verbunden: Häufig werden Angst von Muslim*innen und Ablehnung emanzipatorischer Errungenschaften geäußert. Beispielsweise ist die vorgetragene Angst vor sexuellen Übergriffen ein Ausdruck der Muslimfeindlichkeit der „Identitären“, die Beschwörung einer „tradionellen Rolle der Frau“ ist eine Zurechtweisung von weiblichen Personen auf reproduktive Zwecke eines „Volkes“ und so weiter. Somit nutzt die „Identitäre Bewegung“ eine scheinbar emanzipierte Position der Sprecherinnen, um antifeministische und rückwärtsgewandte Positionen zu vertreten.
 

„Reconquista“ / Muslimfeindlichkeit

Das Ziel eines „ethnokulturell“ isolierten Europas erfordert aus Sicht der „Identitären Bewegung“ die Rückeroberung, die Reconquista“ Europas. Mit viel Mühe und Zurechtbiegen wird dieses Wort aus der Geschichte entlehnt: Die „Reconquista“ war die kriegerische Ausdehnung des christlichen Machtbereichs auf die iberische Halbinsel, die damals bereits mehrere hundert Jahre muslimisch geprägt war und die in der Folge die Verfolgung von Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens bedeutete.
Das Bild des Krieges gegen Muslim*innen passt perfekt in die Ideologie der IB, die auf Werte wie Männlichkeit, Märtyrertum und Ehre setzt. Der häufig als minderwertig und barbarisch dargestellte Islam bildet eine Folie, auf die die Identitäre Bewegung“ ihren Hass auf alles Fremde projiziert. Diese Verkürzung und Selbstherrlichkeit ignoriert nicht nur Fakten, sondern ist, wie oben beschrieben, auf einem falschem Verständnis von Kulturen gegründet.
 

„Meinungsfreiheit“

Nicht nur die Identitäre Bewegung“ sondern auch die „neue Rechte“ generell reklamieren das Thema Meinungsfreiheit“ als rechtes Thema – jedoch wird der Sinn verdreht. Meinungsfreiheit bedeutet, dass man keine staatlichen Repressionen für die Äußerung einer Meinung zu befürchten hat und dient so als wesentlicher Unterschied zwischen einem freiheitlichem und einem autoritären System. In der Darstellung der Neurechten wird der Begriff so umgedeutet, dass jeder Widerspruch ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit sei – und somit undemokratisch. Dies lässt außer Acht, dass auch Widerspruch ein legitimes, legales und demokratisches Mittel ist. Dass es keine staatlichen Repressionen nach sich zieht, sich rassistisch und neonazistisch zu äußern, ist Beleg dafür, dass Meinungsfreiheit gilt. Auf der anderen Seite ist das falsche Verständnis der Meinungsfreiheit ein Beleg dafür, dass neurechte Strömungen wie die Identitäre Bewegung“ absichtlich unsagbare und unangemessene Aussagen legitimieren wollen, die bislang aus moralischen und zivilisierten Gründen zu Recht abgelehnt werden.
 
 

4. Taktik

 
Das Hauptziel der Identitären Bewegung“ ist eine Diskursverschiebung nach rechts. Extrem rechte Gedanken und Aussagen sollen enttabuisiert und normalisiert werden. Dazu wendet die Identitäre Bewegung“ einige Taktiken an, die ihr mehr Einfluss verleihen als das bisherige Neonazi-Auftreten der extremen europäischen Rechten [9].
 

Kampf um die Köpfe (Metapolitik)

Die Identitäre Bewegung“ sieht ihren Aktivitätsbereich in der sogenannten Metapolitik, also in dem meinungsbildenden Agieren in der Öffentlichkeit. Sie richtet sich an junge Menschen unter 30 Jahre. Eines der wichtigsten Ziele ist, neue Menschen von ihrer Ideologie zu überzeugen. Dafür wird die extrem rechte Ideologie mit Lifestyle und der Identifizierung in der Gruppe so verwoben, dass Menschen leichter in den Strudel nach rechts geraten. So werden beispielsweise nicht nur eindeutig politische Veranstaltungen ausgerichtet, sondern auch Sport angeboten, Konzerte ausgerichtet und so weiter. Eine locker und modern klingende, sprachliche Verpackung der Parolen baut Berührungsängste ab und feste Ortsgruppen sollen ein Auffangbecken sein, dass junge Leute in rechte Kreise vernetzt. Insgesamt wird gehofft, dass sich junge Leute in dem Netz verfangen, das soziale Kontakte, kulturelle Eigenständigkeit und vielfältige Aktivitäten verwebt – die Ideologie durchtränkt alles und somit bald auch das Denken der Anhänger*innen.
 

Scheinriese IB (Medienaktivismus)

Ein Hauptaugenmerk der Identitären Bewegung“ liegt in der Darstellung ihres Wirkens in Social Media und dem Transport in herkömmliche Medien, der die Reichweite der extrem rechten Ideologie vervielfacht und somit einen medialen Scheinriesen schafft. Es findet keine Aktion statt, die nicht fotografisch oder videografisch aufbereitet vielfach im Internet wiedergespiegelt und verbreitet wird. Dafür gibt es professionelle Medien-Teams und straffe Vorgaben, wie die Aktionen zu wirken haben. Damit ergeben sich für die Identitäre Bewegung“ zwei große Vorteile: Zum einen kann eine beliebig große Masse an Unterstützer*innen interessiert gehalten und weiter radikalisiert werden, ohne sie konkret einbinden zu müssen. Likes, Retweets etc. sind organisatorisch schlanker und schneller als die Einbindung von noch nicht radikalisierten Sympatisant*innen in Ortsgruppen. Zum anderen wird die öffentliche Wirkung von Aktionen multipliziert: Statt den wenigen Menschen, die ein Banner in einer Innenstadt sehen, nehmen tausende Menschen Fotos der Aktion online wahr. Zudem scheinen somit die Aktionen häufiger, eindrucksvoller unterstützt und die Identitären“ insgesamt stärker, als sie eigentlich sind.
Unter dem Strich machen sich die Neurechten die Funktionsweise der Social Media zu Nutzen: Es werden kleine Phänomene groß aufgeblasen, die partizipierende Online-Gemeinschaft bestärkt sich gegenseitig und ist schließlich überzeugt, einer großen Bewegung anzuhängen, die in Wahrheit jedoch klein ist. Das Narrativ, eine angeblich schweigende Mehrheit zu vertreten, passt in dieses in sich geschlossene Weltbild perfekt.
Die herkömmlichen Medien verstärken diesen Trend, indem sie die fotogenen Aktionen und hipp aussehenden Menschen gerne und viel darstellen. Dass so viele Artikel, Dokumentationen und Aufmerksamkeit dieser rechten Randgruppe zu Teil werden, ist Wasser auf die Mühlen der Selbstdarsteller*innen der IB – so viel Öffentlichkeit für eine Gruppe, die deutlich weniger Mitglieder in gesamt Deutschland hat, als beispielsweise der Dresdener Ortsverband der SPD.
 

Aktionen im öffentlichen Raum

Beim Auftreten im öffentlichen Raum und den Aktionen, die dann online vermarktet werden, orientieren sich die Identitären“ an subversiven Aktionsformen von linken Gruppen und Umweltaktivist*innen. So werden Gebäude zeitweilen blockiert oder besetzt, Banner gut sichtbar angebracht oder Veranstaltungen von politischen Gegner*innen gestört. Solche Aktionen müssen von der Bundesleitung authorisiert werden und müssen dem Anspruch genügen, gut medial zu funktionieren – denn ohne die mediale Verbreitung sind die Aktionen für die Identitären“ ohne Wert. Trotz der meist langen Planung misslingen immer wieder Vorhaben an der mangelnden Erfahrung der Aktivist*innen oder einfachen Durchführungsfehlern.
Auffällig ist, dass die Identitären“ immer wieder daran scheitern, genug Aktivist*innen lokal zu sammeln. Daher werden zu vielen Aktionen Menschen aus ganz Deutschland und Österreich zusammengesammelt. Teilweise unterstützen sogar Identitäre“ aus nicht-deutschsprachigen Ländern Europas, wie zum Beispiel 2018 bei den Identitären Zonen“ in Dresden und Bautzen. Daran lässt sich erneut ablesen, wie dünn die Personaldecke ist.
 

Wortergreifungsstrategien

Die Identitäre Bewegung“ versucht ihre Unterstützer*innen und Aktivist*innen zu motivieren, in öffentlichen Kontexten ihre Ideologie zu unterstützen. Häufig wurde beobachtet, dass Gruppen Identitärer“ an Diskussionsveranstaltungen teilnehmen und versuchen, durch koordinierte Fragen, ideologisch durchtränkte, aber gut verpackte Debattenbeiträge und durch gegenseitige Unterstützung die Diskussion auf neurechte Themen zu lenken. Außerdem wird online in Kommentarspalten versucht, ihre Themen und ihre versteckte, neonazistische Sprache zu normalisieren.
Neben dem Versuch der Normalisierung ihrer Sprache und Themen ist vor allem auffällig, dass sich Identitäre“ als Sprachrohr angeblicher Mehrheiten inszenieren, die schweigende Opfer seien. Schweigend, weil der angebliche Meinungsterror“ die Überzeugung des deutschen Volkes“ versucht verstummen zu lassen. Opfer, weil die Identitären“ sich und ihre Mitstreiter*innen als Betroffene von gegen sie gerichteten Tendenzen darstellen. Migration sei dazu da, das deutsche Volk“ und somit die Identitären“ als dessen Beschützer*innen auszurotten, alle von George Sorros bis Angela Merkel hätten sich gegen sie verschworen und insgesamt müssten sie kämpfen, weil sie im Angesicht des Volkstods“ keine Wahl hätten. Dass diese Beschreibung der Zustände schlicht kontrafaktisch ist, hilft als Gegenargument, damit man sich gar nicht erst auf die in sich geschlossene Ideologie einlässt.
 

Vernetzung

Da die deutschen Identitären“, genauso wie in allen anderen Ländern außer vielleicht Österreich, eine äußerst kleine Gruppe von insgesamt einigen hundert Personen sind, ist die Vernetzung mit anderen Akteur*innen der neuen und extremen Rechten wichtig für den Fortbestand der IB. Vor Ort sind die Überschneidungen mit studentischen Verbindungen und Burschenschaften eklatant; zudem gibt es sehr gute Kontakte in regionale neurechte Netzwerke, zu rechten Parteien und gefestigte Verknüpfungen mit offen neonazistischen Gruppen.
Deutschlandweit werden insbesondere die Verbindung über den Verein Ein Prozent für unser Land“ gepflegt, also zu Verlegern wie Götz Kubitschek oder Jürgen Elsässer und zu Gruppen von Pegida. Außerdem existieren viele Verbindungen in die Kameradschaftsszene sowie in ordinäre, teilweise gewaltbereite, Neonazi-Kreise aus den vorherigen Beschäftigungen der Aktivist*innen – so waren nur beispielsweise Daniel Fiss (nun in Rostock) und Julian Monaco (nun in Dresden) hohe Funktionäre bei der NPD-Jugendorganisation. Mehr zu den Vernetzungen und Labels der IB in Sachsen findet ihr im Abschnitt zu Erkennungsmerkmalen und Symbolen der IB.
Europaweit (vereinzelt auch weltweit) vernetzen sich die Identitären“ mit offen neonazistischen, neurechten, altrechten und rassistischen Akteur*innen und Gruppen. Dazu gehören die italienische Casa Pound, rechte Parteien in ganz Europa (AfD, FPÖ, Lega Nord,...), amerikanische white supremacists [10] bzw. alt rights [11] und Neonazis aus vielen europäischen Ländern.
 
 

5. Situation in Dresden

 
In Dresdem gibt es eine recht aktive Regionalgruppe der Identitären Bewegung, die sogar bundesweit relevante Akteuer*innen aufweist, so zum Beispiel Martin Bader oder Julian Monacko, der vorher bei der NPD-Jugendorganisation Vizevorsitzender war. Burschenschafen (Salamandria, Armina zu Leipzig in Dresden) und andere studentische Verbindungen (ADV Regina-Maria-Josepha) bilden nicht nur wichtigie Rekrutierungspools, sondern auch Infrastruktur-Knoten. Gerade die Burschenschaft Salamandria stellt immer wieder Räume für Veranstaltungen und Aktionen bereit. In unserer Ausarbeitung zu Dresdener studentischen Verbindungen und Burschenschaften ist dieses Thema ausführlich beleuchtet.
Die Aktionen der Dresdener Regionalgruppe fanden vor allem in der Dresdener Innenstadt und an den Universitäten statt. Am Campus der TU Dresden war die Identitäre Bewegung“ vor allem in den Jahren 2016 und 2017 aktiv. Neben Plakaten und Flyern tauchten auch Sticker auf. Zudem wurde versucht, politische Gegner*innen einzuschüchtern. Da diese Versuche, Fuß zu fassen, nicht erfolgreich waren und der Studierendenrat [12] und andere Instanzen der Universität sich klar gegen extrem rechte Umtriebe aussprachen, versiegte diese kurze Aktivitätsphase. Seitdem versuchen IB-Kader sich vor allem durch Sticker-Aktionen verwandter Labels oder individuelle Meinungsäußerung in die politische Debatte einzubringen. Mehr zu Überschneidungen und Verbindungen in andere, rechte Lager im nächsten Abschnitt.
Seit 2018 konzentrieren sich die Aktionen der Dresdener Regionalgruppe auf Veranstaltungen und Aktionen abseits der Universitäten. Mit dem groß angekündigten Festival Europa nostra“ wurde versucht, eine völkische Hegemonie in Dresden zu demonstrieren. Doch aufgrund der geringen Beteiligung und des Gegenprotestes der „Seebrücke Dresden“ schlug dieser Versuch komplett fehl. Danach lag das Ansehen der Regionalgruppe innerhalber der IB Deutschland danieder und hat sich bis heute nicht erholt. Allerdings ist anzumerken, dass in den beiden Jahren der Blüte die IB sich aus Dresden heraus gut vernetzt hat. Immer wieder tauchen Dresdner Kader im ostdeutschen Raum auf: In Bautzen/Görlitz hat sich eine aktive Dependance gebildet (dort sitzt das IB-Mitglied Toni Schneider für die AfD im Stadtrat), bei den rechten Ausschreitungen in Chemnitz waren sehr viele der Dresdener „Identitären“, die rechte Jugend wird von der Ideologie der Identitären“ geprägt und einzelne Mitglieder der IB Dresden sind auf Vernetzungstreffen mit anderen extrem Rechten und Antisemiten erkennbar (u.a. Yannick Pochert beim Volkslehrer Nikolai L.“) [13].
 
 

6. Erkennungsmerkmale, Symbole und Kampagnen im IB-Umfeld in Dresden

 
Das neurechte Netzwerk in Sachsen ist stark. Nicht nur rechtsterroristische Gruppen wie der NSU oder die Gruppe Freital können auf ein Unterstützer- und Sympathisant*innennetz setzen, sondern auch die neurechten und extrem rechten Tendenzen wie die Identitäre Bewegung“. In diesem Abschnitt wollen wir überblickartig die wichtigsten Gruppen im Umfeld der IB vorstellen. Danach werden wir Namen und Kampagnen vorstellen, mit denen sich die IB tarnt.
 
 

Partner und nahestehende Gruppen

  • Ein Prozent für unser Land & neurechte Immobilie in Dresden
Ab 2015 gab es erste Bestrebungen in der neurechten Szene, einen Verein zu gründen, der die neuen Strömungen unter einem gemeinsamen Dach zusammenfasst, unterstützt und strategisch ausrichtet. Das Ziel ist, die neurechte Bewegung so aufzustellen, dass sie in den öffentlichen Diskurs eingreifen kann und nach rechts verschieben kann. Dazu werden Auftreten, Wortwahl und Argumentationsmuster neu aufgesetzt. Um dies zentral beeinflussen zu können und den entsprechenden Gruppe Finanzen und Infrastruktur bereitstellen zu können, wurde schließlich der „Ein Prozent für unser Land e.V.“ gegründet. Der Name bezieht sich auf die Annahme, dass es 1% der Bevölkerung an Aktivist*innen in seiner Sache braucht, um eine nachhaltige Beeinflussung der Politik herbeizuführen. Seit 2016 wechseln die Vorsitzenden und Führungskader regelmäßig, jedoch sind führende Identitäre“ seit Beginn mit dabei. Lange war das Büro des Vereins auf der Lingerallee 3 in Dresden, bis der Mietvertrag nach antifaschistischem Protest gekündigt wurde.
Ein Prozent für unser Land“ versucht schon seit Jahren eine Immobilie in Halle/Saale [14] zu einem rechten Hotspot aufzubauen, mit Wohngemeinschaft und Veranstaltungsräumen. Das ursprünglich von einem AfD-Politiker gemietete Haus war allerdings nie erfolgreich und wird mittlerweile selbst innerhalb der neurechten Szene als gescheitert angesehen.
Seit 2019 gibt es einen neuen Versuch, eine Immobilie aufzubauen. Diesmal in Dresden [15]. Es wurde bekannt, dass Ein Prozent für unser Land“ in der Kurt-Beyer-Straße 2 im Gewerbegebiet Dresden-Reick ein Haus nutzt. Am Klingelschild stehen neben einem lokalem AfD-Politiker auch Aktivist*innen von IB und Ein Prozent“. Bislang wurden schon einige Veranstaltungen in der neuen Immobilie beworben; vermutlich wird versucht, das Haus in Dresden-Reick in Zukunft zu einem wichtigem Vernetzungsort auszubauen.
  • Dresden5k
Dresden 5k“ ist die Lokalgruppe vom Ein Prozent für unser Land e.V.“ – 5000 Menschen sind 1% von Dresdens Bevölkerung. „Dresden 5k“ ist ein Schmelztiegel von rechten Gruppen. Es ist dokumentiert, dass Mitglieder der mutmaßlich rechtsterroristischen Freien Kameradschaft Dresden“ an Aktionen von Dresden 5k“ teilnehmen und die Gruppe prägen; weiterhin gibt es Überschneidungen zur AfD, zur aktiven Fanszene von Dynamo Dresden und zur Identitären Bewegung“.
Dresden 5k“ betreibt auch das Internetportal Vier Fragen“, dass durch eindeutig gelagerte Fragen Menschen mit diffusen Ängsten für rechte Ideologien empfänglich machen soll.
  • Götz Kubitschek (Antaios Verlag) und Jürgen Elsässer (compact)
Die rechten Verleger und Herausgeber Kubitschek und Elsässer versorgen die neurechten Strömungen mit einem Anschein von Interlektualität und Reichweite. Bekannt geworden sind die Auftritte auf Buchmessen und bei Pegida. Mitglieder der Identitären Bewegung“ erhalten Schulungen in Rhetorik und Ideologie und nehmen an Veranstaltungen in Schnellroda teil, dem Sitz von Kubitscheks Verlag. Compact hingegen hilft den Identitären“ und anderen neu- und extremrechten Strömungen durch die Aufstachelung der Leser*innen. Dabei werden häufig die Grenzen zum Verschwörungstheoretischen überschritten.
  • Blaue Narzisse
Die Blaue Narzisse ist eine, sich an junge Leser richtende, neurechte bis völkische Zeitung, die der Publizist Felix Menzel leitet. Felix Menzel sympathisiert mt der Identitären Bewegung“ und versucht über sein Wirken, die neurechte Agenda weiter zu verbreiten und Akteur*innen ideologisch auf eine Linie zu bringen, die sehr nahe an den Überzeugungen des Institut für Staatspolitik“ von Götz Kubitschek liegen.
In Sachsen pflegt Felix Menzel gute Kontakte in die Verbindungsszene und zu anderen publizistisch tätigen Rechten.
  • Alternative für Deutschland (AfD) und Junge Alternative (JA)
Die Partei der neurechten Strömung ist die AfD, die Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und völkisches Denken in die Parlamente trägt. Neben den ideologischen Übereinstimmungen sind vor allem die persönlichen Überschneidungen eindeutig: Im Bundestag werden Identitäre“ bei AfD-Abgeordneten angestellt und in Bautzen sitzt das IB-Mitglied Toni Schneider neuerdings für die AfD im Stadtrat.
Die Sticker der Identitären“ treten in Dresden fast immer gemischt mit Stickern der AfD-Jugendorganisation JA auf. Auf der anderen Seite sprechen AfD-Mitglieder positiv über die Identitäre Bewegung“ und spielen entscheidende Rollen bei den Hausprojekten des IB-nahen Vereins Ein Prozent für unser Land“. Diese Hinweise und ebenfalls personelle Überschneidungen (z.B. Yannick Pochert [16]) zeigen auch hier die gegenseitige Unterstützung und Hilfe.
  • Pegida
Die Demonstrationen und das mittlerweile entstandene Netzwerk von Pegida sind ein vielfältiges und großes Thema, zu umfangreich um hier auch nur umrissen zu werden. Dass Pegida extrem rechte sowie menschenfeindliche Positionen vertritt, Verbindungen zu rechten Terroristen aufweist und zur Radikalisierung der rechten Szene beiträgt, ist unumstritten. Die Identitäre Bewegung“ ist häufig gesehener Gast bei Pegida, sei es als Teilnehmende oder als Redende. Immer wieder wird gegenseitig zur Hilfe und Unterstützung aufgerufen. Gerade in Dresden, dem Gründungsort von Pegida, sind die Verbindungen sehr eng.
 
 

Kampagnen und andere Namen der sogenannten „Identitären Bewegung“

Die Identitäre Bewegung“ kämpft seit 2018 mit zunehmenden Repressionen. In Österreich gehen Behörden gegen die Anführer*innen (z.B. Martin Sellner) vor, Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram löschen alle IB-Accounts und auch im öffentlichen Diskurs werden Identitäre“ immer häufig als das bezeichnet, was sie sind: Neonazis.
Damit funktioniert die Strategie der Diskursverschiebung und Enttabuisierung von extrem rechten Positionen durch andere Sprache und hippes Auftreten nicht mehr so gut wie bislang. Daher geht die Identitäre Bewegung“ dazu über, immer neue Kampagnen und Slogans zu schaffen, hinter denen der neonazistische Inhalt wieder etwas verdeckt werden kann.
 
  • „120dB“
Die Kampagne 120dB“ versucht, irrationale Ängste vor Migration durch einen angeblichen „Feminismus von rechts“ zu verstärken. Benannt nach der Lautstärke von Taschenalarmen versucht sich die Kampagne als Aufschrei von Frauen gegen eine durch Migration steigende Gefahr von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen zu positionieren.
Klar erscheint jedoch die wahre Natur von 120 dB“: Als zeitweise Kampagne der Identitären Bewegung“ hat sie vor allem den instrumentellen Wert, die gegenwärtige Stimmung im öffentlichen Diskurs (Debatten über die Silvesternächte in Köln) auszunutzen. Mit 120 dB“ wurden auch reaktionäre und antiemanzipatorische Rollenvorstellungen transportiert, sodass auch die Fassade des Feminismus von rechts“ schnell in sich zusammenstürzte. Schon 2019 sind kaum noch Aktivitäten unter diesem Label wahrnehmbar.
  • „Mission: Defend Europe“
Diese groß angekündigte Aktion sollte die humanitäre Seenotrettung auf dem Mittelmeer behindern. Mit einem eigenen Schiff wollte die Identitäre Bewegung“ die als Schlepper-NGOs“ verunglimpften, ehrenamtlichen Seenotretter*innen davon abhalten, Rettungen durchzuführen. Obwohl weltweit rechte und extrem rechte Personen Geld spendeten, war die Aktion ein phänomenaler, erbärmlicher Fehlschlag [17]: Zunächst gab es massive Startschwierigkeiten, juristische Anschuldigungen gegen den Kapitän des gecharterten Schiffes wegen fehlerhafter Führung sowie (ausgerechnet) Menschenschmuggels und Verzögerungen im weiteren Ablauf. Bald nach dem Auslaufen des Schiffes blieb das Schiff mit technischen Problemen auf dem Mittelmeer liegen und wurde von europäischen Behörden als Prüffall eingestuft; mit dem Verdacht, dass es nicht seetüchtig ist. Kurz daraufhin beendete die Identitäre Bewegung“ das Projekt und erklärte es erstaunlicher Weise zu einem Erfolg. Doch auch die Behauptung, dass es zu einer Absprache mit der lybischen Küstenwache kam, entpuppte sich als dreiste Lüge.
  • „Europa Nostra“
Im späten August 2018 veranstaltete die Identitäre Bewegung Deutschland“ in Dresden das Festival Europa Nostra“. Der Plan war die vorgeblich breite, rechte Jugendkultur zu präsentieren. De Facto war das Festival jedoch schlecht besucht, die verschiedenen Initiativen mussten Leute in Doppelfunktion als Repräsentant*innen aufstellen, weil es nicht genügend Aktivist*innen gab. Durch den Gegenprotest verunsichert, verschanzte sich die IB hinter Bauzäunen. Auch medial war die Bilanz katastrophal – das erhoffte Zeichen der Stärke war weder das Festival, noch die schlussendlich durch Gegenprotest verhinderte Großdemo“ in Halle/Saale 2019. Spätestens seitdem ist der euphorische Tatendrang der ersten, aktiven Jahre der Identitären Bewegung Deutschland“ gebrochen.
  • Jugendoffensive Dresden
2019 wurden Mitglieder der Identitären“ in Dresden dabei beobachtet, wie sie Sticker mit diesem Aufdruck verklebten. Bislang ist wenig über den Slogan bekannt; in Thüringen ist der Name Jugendoffensive“ mit einer Struktur verbunden, die zur Neonazi-Partei Der dritte Weg“ mobilisiert.
 
 

7. Was kann ich jetzt tun?

 
  • Den ersten, wichtigen Schritt hast du schon hinter dir: Sich einen Überblick zu verschaffen über die Ideologie und Strategie der Identitären Bewegung“ ist wichtig, um sie im Auge zu behalten. Es gibt viele Informationen zur weiteren Beschäftigung, die wir am Ende dieser Seite gesammelt haben.
  • Die Identitäre Bewegung“ funktioniert über Öffentlichkeitsarbeit und Präsenz im Stadtbild. Wenn du auf Plakate, Sticker oder Flyer triffst: Mach sie unkenntlich, reiß’ sie ab und werfe sie in den Müll. Dann Ausschau nach weiteren Sachen halten; meistens sind die nächsten nicht weit entfernt! Wenn du das nicht alleine machen möchtest oder gerade nicht kannst, findest du zum Beispiel auf Twitter eine gute Plattform, um andere Leute zu bitten, dir zu helfen. Wichtig dabei: Reproduziere nicht deren Öffentlichkeit, indem du Fotos postest – kurze Hinweise reichen.
  • Kläre Freund*innen über die Identitäre Bewegung“ auf! Viele Leute denken immer noch, dass die IB nur konservativ sei oder legitime Positionen vertritt. Doch du weißt nun, was sie unter ihrem Deckmantel aus neuen Wörtern und bunten Grafiken ist: Eine Gruppe von rassistischen Neonazis, die aus Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Antifeminismus eine Ideologie der Ausgrenzung zusammenschustern. Alter Wein in neuen Schläuchen.
  • Wenn du etwas gegen die Identitären“ und andere Neonazis unternehmen willst, dann ist immer JETZT der beste Zeitpunkt dafür. Tu dich mit Freund*innen zusammen und legt los. Oder schließe dich antifaschistischen und antirassistischen Strukturen an. Viele Gruppen in Dresden sind offen für Menschen, die sich politisch engagieren wollen. Frage gerne uns, wenn du Ideen brauchst.
 
 

8. Linksammlung und Tipps zur weiteren Beschäftigung

 

Stellungnahme des Studierenrates der TU Dresden

 

Reader zu studentischen Verbindungen

  • Wir haben zwei Reader zu Burschenschaften und anderen studentischen Verbindungen veröffentlicht. Da die IB im Verbindungs-Millieu rekrutiert und wesentliche Unterstützung, gerade von Burschschaften, bekommt, ist eine Lektüre empfehlenswert. Darüber hinaus beleuchten wir im zweiten Band auch alle Verbindungen in Dresden.
  • https://stura.link/ausgefuxt
 

Reportagen und Einordnungen zur „Identitären Bewegung“

 

Verbindung der IB zu Neonazis Deutschlands, Europas und international

  • Die  »Identitäre Bewegung« präsentiert sich in Deutschland und Österreich selbst gern als rechte NGO. Doch in der Realität kommt es auch zu Kampfsportübungen sowie Drohungen und Angriffe auf politische Widersacher*innen. Im Juni 2018 waren Vertreter der ukrainischen »Asow«-Miliz im Haus der IB in Halle/Saale zu Gast. In Frankreich – Ursprungsland der IB sowie alljährlicher Austragungsort von Propaganda- und Wehrsportcamps mit deutscher Beteiligung – wurde 2011 ein 42-jähriger Punk tot in einem Fluss gefunden. Drei IB-Mitglieder stehen seither unter Verdacht, das Opfer getötet und die Tat vertuscht zu haben.“
  • https://www.der-rechte-rand.de/archive/4369/ueber-grenzen-hinweg-terror/
 

Internes Strategiepapier

 

Mediales Bild der IB und resultierende Position im öffentlichen Diskurs

  • Anders als in Österreich wurden die „Identitären“ in Deutschland von Beginn an viel stärker in der Auseinandersetzung als „rechtsextrem“ bezeichnet und beschrieben. Das hat es ihnen von Beginn an durchaus schwer gemacht, ihre Botschaften medial breiter zu streuen. In Österreich hat dieses semantische Verwirrspiel von ihnen ja jahrelang funktioniert. Das Corporate Design deswegen leicht zu verändern (wie bei Defend Europe) oder ganz wegzulassen (wie bei 120db) ist deswegen nur logisch. Das Ziel der „Identitären“ war immer an größere gesellschaftliche Debatten anzudocken und – nicht nur ihrer Logik folgend – gelingt sowas eben besser, wenn nicht von Anfang an feststeht, wes Geistes Kind du bist.“
  • https://rambazamba.blackblogs.org/category/identitaere-bewegung/ (Ab Frage 8)
 
 

9. Fußnoten und Hinweise zu dieser Website

 

Hinweise

  • Diese Website wurde ab Mitte 2019 erstellt und Ende November 2019 fertiggestellt. Wir haben uns bemüht, genau zu recherchieren und akkurat zu schreiben. Dennoch können uns Fehler unterlaufen sein, diese bitten wir zu entschuldigen.
  • Wir freuen uns über konkrete Hinweise, wie wir ausführlicher, genauer oder tiefer informieren können. Wenn du Ergänzungen oder Verbesserungen hast, ist das für uns eine große Hilfe.
  • Korrekturen, Ergänzungen und Feedback gerne über diese Kontaktmöglichkeiten [Link: Kontakt].
 

Fußnoten

[3] siehe [1]
Mario Müller ist einer der führenden Köpfe der IB-Deutschland. Als Autor des Buches Kontrakultur“ und Mitbegründer des gleichnamigen, extrem rechten Hausprojekts Kontrakultur Halle“ führt er die wichtigste IB-Ortsgruppe in Deutschland an. Müller ist zudem mehrfach wegen Gewalttaten vorbestraft – u.a. wegen eines Angriffs auf linke Jugendliche und zwei Sozialarbeiter mit einem selbstgebastelten Totschläger. Unklar ist, ob er auch mit dabei war, als kürzlich IBler in Halle zwei Zivilpolizisten mit Schlagstöcken und Pfefferspray attakierten. https://antifa-bremen.org/was-ging-ab/2013/mario-mueller-verurteilt/?fbclid=IwAR0f0Xjs_VTWLfy75tcG07IseGYbwW_VIuTC6vGXGloBsScLMWNcfLithSA
[8] Zu strukturellem und sekundärem Antisemitismus der IB hat das Dokumentationsnetzwerk Identitäre in Bochum“ weitere Informationen und Belege zusammen getragen. http://identitaere-in-bochum.net/
[9] Dieser Artikel gibt einen guten Überblick über die interne Organisation, Vernetzung und Ziele der IB Deutschland: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/identitaere-bewegung-rechtsextremismus-neonazis-mitglieder/komplettansicht
[12] Unser Studierendenrat hat sich 2018 eindeutig gegen die Identitären Bewegung positioniert und schließt künftig Personen der IB aus und Menschen, die Symbole der IB tragen oder verbreiten: https://www.stura.tu-dresden.de/aktuelles/181023_stellungnahme_kein_platz_f%C3%BCr_identit%C3%A4re_der_tu_dresden
[13] Jannik Pochert bei einer extrem rechten Tanzveranstaltung des Volkslehrer“ Nikolai N: https://twitter.com/ER_MV/status/1109420758420385792?s=19
 

Hier könnt ihr den Info-Flyer über die sogenannte Identitäre Bewegung“ herunterladen:

  • Wir haben uns dafür entschieden, den Begriff rechtsextrem“ nicht zu verwenden. Die Begriffe des Rechtsextremismus und Linksextremismus fußen auf der wissenschafltich höchst umstrittenen Extremismustheorie, laut der es neben der gesellschaftlichen Mitte“ zwei Pole gebe, die sich in ihrem Extremismus letzlich wieder annähern würden. Dabei werden inhaltliche Ausrichtung übergangen. Es wird ignoriert, dass u.a. Gewalt gegen Frauen auch aus der Mitte der Gesellschaft getragen wird, während gleichzeit Kritik, z.B. an rassistischen Zuständen, als linksextrem abgetan werden kann.
  • Zudem werden alle politischen Positionen auf ein links-rechts-Kontinuum projiziert, was die Darstellbarkeit von anderen Überzeugungen einschränkt. Ist liberal z.B. rechts oder links der Mitte?
  • Schließlich führt die Extremismustheorie auch zu unverhältnismäßigen Gleichsetzungen. In der gegenwärtigen Politik wird oft auf linke Autonome als „linksextrem“ und somit angebliches Pendant zu Neonazis verwiesen: Sobald man drauf achtet, bemerkt man häufig folgendes (zugegeben hier überspitztes) Argumentationsmuster: ’Ja, dieser rechte Anschlag oder jenes Neonazi-Verbrecher seien zwar schlimm, aber linke Autonome vermummen sich auf Demos, das sei auch schlimm’. Diese verzerrte Darstellung verharmlost das unverkennbare Neonazi-Problem in Deutschland und ist hilfreiches Pseudo-Argument, wenn man sich damit nicht ernsthaft auseinandersetzen möchte.
  • Trotzdem hält sich die Extremismustheorie hartnäckig. Vielleicht, weil es leicht ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konflikten zu umgehen, wenn die „Mitte“ als unfehlbar und per se gut definiert wird. Wir lehnen dies ab.

 

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