Vortrag: "Die Macht der Dinge. Zur Kritik der bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse"

Datum: 
Donnerstag, 2. November 2017 - 18:30 - 20:00
Ort: 
HSZ/E03/U
Veranstaltet von: 
Referat politische Bildung

Das Problem, vor dem ein einführender Vortrag aus gesellschaftskritischer Perspektive steht, ist weniger (aber auch), dass die zur Kritik des Kapitalismus notwendigen Begriffe – um nur einige herauszugreifen – wie Verdinglichung, geistige und körperliche Arbeit, Produktionsverhältnisse oder auch Subjekt und Objekt gänzlich unbekannt wären. Vielmehr ist wahrscheinlich unverständlich, wieso die konkreten Erfahrungen, die im Umgang mit Machtsituationen, Herrschaftsstrukturen und Gewalt gemacht werden, als Bruch zwischen Subjekt und Objekt oder als Versachlichung gesellschaftlicher Beziehungen formuliert werden sollten. Theoretische Begriffe wie diese haben ihre Funktion eingebüßt, eine Erfahrung über die nicht unmittelbar sinnlich erfahrbaren Zusammenhänge der Gesellschaft zu ermöglichen. Wenn doch noch etwas mit ihnen verbunden wird, dann handelt es sich meist um inkohärente Versatzstücke der Alltagserfahrung, wie es an Begriffen wie Mehrwert deutlich hervortritt.

Die Erfahrungsweise des gesellschaftlichen Ganzen ist bereits so fragmentiert, dass allein der Versuch, in eine kritische Theorie der Gesellschaft einzuführen, die Herrschaftsverhältnisse begrifflich zu reproduzieren droht. Die Sprache, die eine materialistische Gesellschaftskritik spricht, scheint wie eine groteske Felsenmelodie: Nicht tauglich, die Interessen und die Erfahrungen der erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung auszudrücken. Unklar bleibt, wie sich die konkreten Erfahrungen mit diesen theoretischen Begriffen verbinden sollen. Stattdessen drückt sich in ihnen nur die radikale Trennung von wissenschaftlicher Analyse der Gesellschaft und unmittelbarer Erfahrung des gesellschaftlichen Ganzen, von geistiger und körperlicher Arbeit aus. Im Vortrag soll der Versuch gemacht werden, theoretische Begriffe so zu öffnen, dass eine Ahnung entsteht, wie in ihnen und durch sie kohärente Erfahrungen über die gegenwärtige Gesellschaftsformation gemacht werden können und warum sich die Anstrengung des Begriffs nicht nur lohnt, sondern eine Notwendigkeit darstellt. Die bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse dienen dabei als Beispiel für diesen gesellschaftskritischen Blickpunkt.