Gerhard Stapelfeldt: Ein „Leben im Einklang mit der Natur“ – und mit der Gesellschaft

Datum: 
Dienstag, 31. Januar 2023 - 19:00 - 21:00
Ort: 
GER/38/H, Bergstr. 53
Veranstaltet von: 
Referat Politische Bildung

Vortrag von Gerhard Stapelfeldt

Ein „Leben im Einklang mit der Natur“ – und mit der Gesellschaft

Kritische Bemerkungen zur Klimaschutzbewegung ‚Fridays for Future’

Die Klimaschutzbewegungen eint, daß sie ihre Kritik auf die Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Klimaforschung stützen.
Luisa Neubauer hat, analog, ihre Utopie als ein „Leben im Einklang mit der Natur“ bestimmt.
Die Klimaschutzbewegungen eint somit: daß sie die politisch-ökonomischen, die gesellschaftlichen Ursachen der ‚Klimakrise’ nicht reflektieren; daß in ihrer praktischen (und theoretischen?) Kritik nicht der Anspruch enthalten ist, eine neue Gesellschaft zu entdecken.
Im Vortrag wird dieser gesellschaftliche Analphabetismus der Klimaschutz­bewegung zunächst am Begriff der Natur entwickelt. Zu zeigen ist, daß das, was ‚Natur’ heißt, immer schon eine gesellschaftliche Setzung war, so daß die Vorstellungen von ‚Natur’ sich mit der Gesellschaftsgeschichte verän­dert, also eine eigene Geschichte haben. Die Utopie eines „Lebens im Ein­klang mit der Natur“ impliziert deshalb die konformistische Vorstellung ei­nes Lebens im Einklang mit der bestehenden Gesellschaft.
Im Vortrag wird dieser gesellschaftliche Analphabetismus der Klimaschutz­bewegung sodann an den Konsequenzen skizziert: 1) Apokalyptische Vor­stellung von der Klimakrise als „größter Krise der Menschheit“. – 2) Selbst­verständnis als „Weltretter“. – 3) Politisch-ökonomische Bewußtlosigkeit und Verschwörungsphantasien. – 4) Geschichtliche Bewußtlosigkeit. – 5) Utopie und Dystopie. – 6) Autoritär-konformistische Praxis. – 7) Pseudo-Ra­dikalität.
Zum Abschluß wird die Frage erörtert, welche gesellschaftlichen Verhältnis­se in der Kritik der Klimaschutzbewegungen erscheinen – warum also der gesellschaftliche Analphabetismus der Bewegungen nicht als subjektives De­fizit aufzufassen ist, sondern als Ausdruck der Umstände.

Gerhard Stapelfeldt lehrte bis 2009 als Soziologie-Professor an der Uni Ham­burg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.