Bildungsideal und Bildungsrealtität - eine Stellungnahme

Liebe Studierende,

vergangene Woche erschien ein Kommetar von mir in der Caz in der Kategorie Pro und Contra. Ich argumentierte dabei auf der Pro Seite, dass Langzeitstudierende “Sozialschmarotzer” seien. Tatsächlich hätte ich nie damit gerechnet, dass man den bewusst provokant geschriebenen Kommentar als Angriff auf Langzeitstudierende interpretieren könne. Daher nun eine Klarstellung: Der Kommentar war provokant geschrieben und sollte zum Nachdenken anregen.

Die Argumentation war zwar oberflächlich betrachtet korrekt, jedoch wird bei intensiver Bertrachtung deutlich, dass sie nicht standhalten kann.

1. Das Wort Parasit wurde im biologischen Sinne gebraucht – nicht im Gesellschaftlichem. Die Definition wurde also aus dem Kontext gegriffen und ist im konreten Falle nicht anwendbar. Ferner kennte die biologische Sichtweise keine negative Conotation des Wortes.

2. Im weiteren entziehen alle Studierenden der Gesellschaft “Resourcen”. Sie geben diese aber um ein vielfaches an die Gesellschaft zurück. Denn die gewichtigste aller Rescourcen für die gesellschaft ist einzig und allein Wissen. Wer in Regelstudienzeit abschließt, aber am Ende ein klassischer “Fachidiot” ist, hätte lieber seine Regelstudienzeit überschreiten und sich vielfältig weiterbilden sollen.

3. Ein ideales Bildungssystem kennt keine Regelstudienzeiten. Die Fixierung auf Regelstudienzeiten ist Ausdruck einer Entwicklung, welche das Studium als Ausbildung ansieht und nicht als klassisch universitäre Bildung. Bildung ist ein lebenlanger Prozess der individuell gestalltet sein muss und keinesfalls nur auf Fachwissen und Berufsqualifizierung gemünzt sein darf.

4. Manche Studierende müssen neben dem Studium arbeiten, andere engagieren sich sozial und wieder andere sind Eltern. Es gibt tausende Gründe für einen individuellen Studienverlauf. Vielleicht ist es auch nur ein breit gefächertes Interesse, sodass sich der Studierende
intensiver mit Themenbereichen auseinandersetzt, die nicht zu seinem Curriculum gehören. Und auch die Tatsache, dass die Studienorganisation der Grund für die Verzögerung sein kann, darf nicht außer Acht gelassen werden.

Wer dem Kommentar also zustimmen konnte, sollte mit sich selbst noch einmal ins Gericht gehen und sich noch einmal gründlich mit der Thematik befassen - vor allem nicht nur aus einem Blickwinkel.

Marcel Sauerbier