Magnus Klaue: Über den Fortschritt in der Kunst (Ringvorlesung "Eine Frage des Standpunkts")

Datum: 
Dienstag, 9. April 2013 - 16:40 - 18:10
Ort: 
Zeunerbau, Hörsaal 114
Veranstaltet von: 
Referat für politische Bildung

Die Gewohnheit, zwischen sog. fortschrittlichen und restaurativen Epochen in der Entwicklung der Künste zu unterscheiden, gehört zu den Missverständnissen, die längst in die allgemeine Wahrnehmung eingesickert sind. Gemäß dieser Betrachtungsweise gelten dann Epochen wie das Biedermeier oder Autoren wie Stefan George als reaktionär, Brechts episches Theater oder situationistische Happenings aber als progressiv. Eine differenziertere entwicklungsgeschichtliche Sicht gesteht zu, dass es gerade bei avancierten Werken einen Widerspruch zwischen politischem und ästhetischem Gehalt geben kann, dass also fortschrittliche politische Programmatik mit epigonaler Form oder avancierte Formsprache mit restaurativer Ideologie einhergehen kann. Einigkeit besteht aber heute meist darüber, dass ein Kunstwerk von Rang der Gegenwart in irgendeiner Weise etwas 'sagen' oder ein 'innovatives Potential' entfalten muss. In Anlehnung an Adornos Kritik an der Kunstsoziologie soll hier stattdessen der Gedanken entfaltet werden, dass die Geschichte vom Fortschritt in der Kunst nur als Geschichte von dessen Vergessen erzählt werden kann und das Widerständige der Werke gerade in ihrem Unverständlichen, in ihrer Inkommensurabilität mit der je herrschenden schlechten Gegenwart aufzusuchen ist.


Magnus Klaue ist Lektor und freier Autor und lebt derzeit in Berlin. Er schreibt für verschiedene Zeitungen wie Der Freitag, Jungle World, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Konkret und Bahamas. Zuletzt erschien von ihm die Monographie "Poetischer Enthusiasmus: Else Lasker-Schülers Ästhetik der Kolportage.“