Zwischen Paris und PEGIDA - Zur Ideologiekritik von Islamismus und (antimuslimischem) Rassismus

Datum: 
Mittwoch, 18. Februar 2015 - 20:30 - 22:00
Ort: 
AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Straße 39
Veranstaltet von: 
Referat für politische Bildung

In den letzten Wochen wurde wieder einmal viel geredet – über „den Islam”, der etwas mit dem Terror zu tun habe, oder auch nicht. Über „die Muslime”, die sich distanzieren müssten, oder auch nicht. Über angebliche Bilderverbote und „die Muslime” provozierende Karikaturen. Zudem verstärkt, aber bei weitem nicht erst seit PEGIDA und Co., über die „Identität” Deutschlands, Zuwanderung und „Islamisierung”. Das Phänomen PEGIDA wäre bereits ein interessantes Thema. Während sich die Berliner Republik „bunt“ und „weltoffen“ gibt und Massen zu den Gegendemonstrationen strömen, werden die „besorgten Bürger“, die mit tausenden Neonazis und Hooligans marschieren, von allen Seiten zum Dialog eingeladen. Die sogenannten „Ängste“ derer, die ihrem Ressentiment gegen „Lügenpresse“, „die da oben“ und „Ausländer“ freien Lauf lassen, sollen ernstgenommen werden, wo es nützlich erscheint. Doch jenseits des aktuellen Hypes scheint es notwendig, sich ganz grundsätzlich der Rede über „den Islam” zuzuwenden. In den Debatten der letzten Wochen, Monate und Jahre wurde nicht nur in den Wohnzimmern, sondern auch in Reden, Talkshows und im Feuilleton fast durchgängig auf der Basis von kulturalistischen oder rassistischen Identitätskonstrukten und fragwürdigen Bezugsgrößen argumentiert. Nur geringes Wissen und theoretische Ahnungslosigkeit korrespondierten mit dem Drang, gerade hier eine Meinung zu haben – zu „den Muslimen“, „dem Islam“ und „der Scharia”, zu vermeintlichen religiösen Eigenarten und Befindlichkeiten, zu „Salafisten” und „Kopftuchmädchen”. PEGIDA war teilweise anschlussfähig an diese Debatten. Dabei verblüfft nur auf den ersten Blick, dass deutsche Salafisten und andere Islamisten die Positionen naiver Kulturalisten und rassistischer „Islamkritiker” zumeist teilen. Auch sie sind sich sicher, den einen Islam zu repräsentieren oder „die Scharia” befolgen zu wollen; als Produkte der Moderne glauben sie, die „authentische Tradition“ zu verkörpern. Die historisch abwegige und in Deutschland vor allem zynische Rede von der Kultur des „jüdisch-christlichen Abendlandes”, die mit derjenigen des Islams unvereinbar sei, bestätigen sie ebenfalls nur zu gern. Kollektivierung und Ressentiment verhelfen Rassisten wie Islamisten zu Sicherheit und Identität; Islamismus und antimuslimischer Rassismus sind Krisenbewältigungs-ideologien. Durch die Zuschreibung einer bestimmten Kultur und Religion werden Deutungsmuster reproduziert, die die Einzelnen zwangskollektivieren. Ob positiv oder negativ gewendet, die Universalität des Menschseins wird so in Frage gestellt. Gegen die Konjunktur von „Kultur und Identität“ und die Biologisierung des Sozialen gilt es, auf die realen Ursachen politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Konflikte zu verweisen. Dass es mit „dem Islam“ alles etwas komplizierter ist, als man es jeden Tag vernimmt, wird dann ganz von alleine deutlich. (Referent: Hannes Bode)