Podiumsdiskussion: Kritische Theorie, populistische Praxis? Zur Kritik und Ambivalenz rechts- und linkspopulistischer Krisenreaktionen

Datum: 
Mittwoch, 6. Dezember 2017 - 18:30 - 20:00
Ort: 
HSZ/204/U
Veranstaltet von: 
Referat politische Bildung

Felix Schilk / Tino Heim: Kritische Theorie, populistische Praxis? Zur Kritik und Ambivalenz rechts- und linkspopulistischer Krisenreaktionen
Die sich zuspitzenden multiplen Krisenkonstellationen haben in den letzten Jahren EU-weit zu einem Anwachsen rechter und linker Protest- und Empörungsbewegungen geführt. Entgegen aller Hoffnungen, dass Gesellschaftskritik damit endlich wieder eine unmittelbare Relevanz für praktische Kämpfe gewinnen könne, bietet aber gerade auch der Linkspopulismus kaum adäquate Perspektiven der Analyse, Bearbeitung oder gar Überwindung der Krisenursachen. Er erweist sich vielmehr selbst als Ausdruck tiefgreifender gesellschaftlicher Widersprüche und Krisen. Das geteilte Problem eines hier sichtbar werdenden Verfalls des gesellschaftskritischen Denkens soll in der letzten Sitzung der Reihe aus zwei verschiedenen und teilweise kontroversen Perspektiven sondiert und gemeinsam diskutiert werden.

Felix Schilk: Der weltweite Aufstieg des Rechtspopulismus wird in der Regel durch zwei Motive erklärt: Als identitätspolitische Strategie und als Besetzung der sozialen Frage von rechts. Dieser Transformation der politischen Topographie versucht der Linkspopulismus, meist unter Berufung auf seine prominente Vordenkerin Chantal Mouffe, nicht zuletzt mit agonalen Feindbildern und affektiver Sinnstiftung zu begegnen. Im Vortrag sollen Gemeinsamkeiten des linken und rechten Populismus aufgezeigt, ihre sozialen und sozialpsychologischen Ursachen benannt und anschließend einer Kritik unterzogen werden. Dabei wird deutlich, dass die demagogische Form des linken Populismus politische Ohnmacht und soziale Unmündigkeit reproduziert, anstatt die Ursachen für gesellschaftliche Krisen aufzuklären.

Tino Heim: Gesellschaftskritik ist gegenwärtig mit einem doppelten Generalvorwurf konfrontiert. Zieht sie sich auf wissenschaftliche Analyse zurück, erscheint dies als Flucht in elitäre Spezialdiskurse, die die Nöte der ‚einfachen Menschen‘ einer autoritären Anrufung von rechts überlassen. Mischt sie sich aktiv in gesellschaftliche Kämpfe und in Artikulationen diffuser Unzufriedenheiten ein, steht sie in Verdacht selbst populistisch zu agieren und die Muster rechter Anrufungen zu reproduzieren. Beide Vorwürfe sind oft berechtigt, erweisen sich aber letztlich als zwei Seiten desselben Problems einer fortschreitenden Trennung von Theorie und Praxis der Kritik. Dies stellt vor einige Fragen: Können praktische Kämpfe ohne Affekte auskommen und können an sie dieselben Kriterien angelegt werden wie an wissenschaftliche Analysen? Gibt es Momente eines ‚Linkspopulismus‘, die in Inhalt und Form vom Rechtspopulismus unterscheidbar wären? Und (nicht zuletzt) können theoretische Analyse und praktische Kritik wieder in ein anderes, wechselseitig reflexives Verhältnis gebracht werden?