Roger Behrens: Das Unvermögen der Realität. Kritische Theorie, Kunst, Kulturindustrie

Datum: 
Mittwoch, 3. Mai 2023 - 19:00
Ort: 
objekt klein a, Meschwitzstraße 9
Veranstaltet von: 
Referat Politische Bildung

Dem Ende der Kunst, das Hegel proklamierte, folgte eineinhalb Jahrhunderte später ein Ende der Ästhetik (so etwa Werckmeisters Deutung von Adornos ›Ästhetischer Theorie‹); beides sind Enden, die keineswegs ein Verschwinden von Kunst und Ästhetik meinen (was immer das auch wäre), sondern vielmehr eine Übersteigerung von Kunst und Ästhetik, die in einem sozialen Sinnverlust, etwa in Banalisierung und Belanglosigkeit ihren Ausdruck findet; »Entkunstung der Kunst« (Adorno) und »Ästhetisierung der Politik« (Benjamin) sind dabei verkoppelt miteinander beziehungsweise mit der – wenn man so will – ästhetischen Ambivalenz des sozialen Status der Kunst: in Hinblick auf die Verschränkung von Wertvergesellschaftung und Ideologie. In der Kritik der Kulturindustrie wurde das begriffen als Kommodifizierung (Zur-Ware-Werden). Das jedenfalls ist der Befund einer kritischen Theorie der Gesellschaft (deren Arbeitszusammenhang sich vor einhundert Jahren konstituierte).
Dagegen steht eine merkwürdige Rezeption und »Weiterentwicklung« dieses Befunds einer längst in all ihren Facetten akademisch eingehegten Kritischen Theorie und ihrer über die Fachrichtungen und Forschungsperspektiven verstreuten Derivate (ein bisschen Adorno schadet nie, auch wenn er vom Jazz keine Ahnung hatte): Behauptet wird hier weiterhin die sachliche Differenz von Kunst und Kulturindustrie, ohne auch nur die Grundfragen kritischer Gesellschaftstheorie überhaupt zu stellen, geschweige denn – wenigstens versuchsweise – zu beantworten. Drittmittelprojekte und die eigene (prekäre) Situation im Wissenschaftsbetrieb lassen das auch kaum zu, die Berufsstandswahrung geht vor.
Dazu wären allerdings einfache Fragen zu stellen: Was wollten wir eigentlich von der Kunst, und was wollen wir heute von ihr? Welche Bedeutung hat dabei die Ästhetik – für uns? Wie steht es um die »Kulturindustrie« – und wer sind eigentlich »wir«? – Und wieso heißt der Vortrag ›Das Unvermögen der Realität‹?