Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand

Datum: 
Mittwoch, 21. Februar 2024 - 19:00 - 21:00
Ort: 
TU Dresden Campus, SCH/A118/H
Veranstaltet von: 
Referat Politische Bildung

Aufgrund einiger Missverständnisse bezüglich des anstehenden Vortrages mit Matthias Küntzel haben wir nachfolgend Hinweise für dessen Einordnung notiert:

 
Der Vortrag unterstellt, anders als vielfach behauptet, Menschen mit arabisch-muslimischem Hintergrund  nicht pauschal Antisemitismus.  Keineswegs werden die Verbrechen der Deutschen nachträglich Muslimen angehängt. Auch die Geschichte vom importierten Antisemitismus welche den tief in der deutschen Gesellschaft verankerten vergessen machen soll, wird nicht verbreitet. Dagegen werden im Vortrag Ursprünge und Genese des Antisemitismus in der arabisch-islamischen Welt - den es offenkundig gibt und der eines der größten Hindernisse für einen Waffenstillstand im Nahen Osten darstellt -  ergründet. Es wird vor allem die antisemitische Propaganda der Nazis, die von Deutschland aus in die arabische Welt getragen wurde, untersucht. Über die von Matthias Küntzel vorgetragenen Thesen und Analysen kann im Anschluss selbstverständlich kritisch diskutiert werden.
 
Der Vortrag ist, wie dem Ankündigungstext entnommen werden kann, Teil der Reihe "Auseinandersetzungen mit der Gegenwart des Antisemitismus", in der zahlreiche Facetten des Antisemitismus beleuchtet werden, wie zuletzt am Donnerstag, als Moritz Zeiler zu Moishe Postones Kritik des NS-Antisemitismus referierte.

 

Ankündigungstext:

Die Massaker der Hamas vom 07.10.2023 markieren in der Geschichte des Antisemitismus und für die Entwicklung des Nahostkonflikts eine Zäsur. Mehr als 1.200 Israelis wurden niedergemetzelt, mehr als 200 als Geiseln entführt. Manche fühlten sich angesichts der antijüdischen Gräueltaten an das Vorgehen der Einsatzgruppen im Dritten Reich erinnert.

In der Tat steht der Antisemitismus der Hamas in der Tradition des nationalsozialistischen Vernichtungswillens. So hatte Nazi-Deutschland bereits in den Dreißigerjahren das judenfeindliche Potential des Koran entdeckt und für die eigenen Propaganda in der arabischen Welt instrumentalisiert. Von Zeesen, einem südlich von Berlin stationierten Kurzwellensender, wurde der islamische Antisemitismus gezielt unter Muslimen verbreitet. Die Radiosendungen wurde zwischen April 1939 bis April 1945 alltäglich auf Arabisch, aber auch auf Persisch und Türkisch ausgestrahlt. So, wie die Nazis in Europa den christlichen Antijudaismus radikalisierten, so nahmen sie im Nahen Osten den muslimischen Antijudaismus zur Grundlage, um ihn mit der europäischen antisemitischen Verschwörungstheorie zu verknüpfen.

In seinem Buch „Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand“ beleuchtet unser Redner dieses bislang ignorierte Kapitel deutscher Vergangenheit und zeigt auf Basis neuer Archivfunde, wie sich das Judenbild im Islam zwischen 1937 und 1948 unter dem Einfluss einer ausgefeilten arabischsprachigen Radiopropaganda und sonstiger Nazi-Aktivitäten veränderte.

Die Begegnung des Nahen Ostens mit der Nazi-Ideologie war zwar nur kurz, doch sie wirkt bis heute weiter nach. Denn während der Nazi-Antisemitismus überall sonst in der Welt diskreditiert war, konnte er sich in der arabischen Welt als Weltanschauung erhalten. Erst wenn wir begreifen, wie stark die moderne Nahostgeschichte von den Nachwirkungen des Nationalsozialismus geprägt ist, werden wir den Judenhass in dieser Region und dessen Echo unter Muslimen in Europa richtig deuten und adäquate Gegenmaßnahmen entwickeln können.

Dr. Matthias Küntzel ist Politikwissenschaftler und Historiker und Träger des „Theodor Lessing-Preis für aufklärerisches Denken und Handeln“ 2022. Von 2004 bis 2015 war Küntzel externer associate researcher beim Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) an der Hebrew University in Jerusalem. Viele seiner Bücher, zum Beispiel „Djihad und Judenhass“, Freiburg 2002; „Die Deutschen und der Iran“, Berlin 2009; und „Nazis und der Nahe Osten“, Leipzig 2019 wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Der Vortrag ist Teil der Veranstaltungsreihe "Auseinandersetzungen zur Gegenwart des Antisemitismus", die von einigen Dresdner Gruppen in kooperation durchgeführt wird. Weitere Informationen dazu: https://www.kosmotique.org/veranstaltungsreihe-auseinandersetzungen-mit-der-gegenwart-des-antisemitismus/