Kritik in der Krise – Theoretische Bedingungen und Probleme kritischer Gesellschaftswissenschaft

Datum: 
Mittwoch, 19. April 2017 - 18:30 - 20:00
Ort: 
CHE/184/U
Veranstaltet von: 
Referat politische Bildung

Referent:

Michael Städtler

Krisen haben für die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft eine ambivalente Bedeutung: Ihre schmerzhaften Auswirkungen erregen Protest, aber sorgen auch dafür, dass dieser sich auf die Krise und deren vermeintliche unmittelbare Ursachen (z.B. Fehlverhalten von Spekulanten, Bankiers oder Staatsführungen) beschränkt. Damit regen sie eine Kritik am Kapitalismus an, aber eine, die nicht den Kapitalismus als solchen begreift und kritisiert. Die Strukturen kapitalistischer Gesellschaften sind in hohem Maße von Prinzipien abhängig, die anonym und indirekt wirken. Sie sind keine Gegenstände der Erfahrung, sondern können nur durch Denken, durch theoretische Reflexion von Erfahrungen erkannt werden. Begründete Kritik muss darauf aufbauen und die in gesellschaftlichen Strukturen institutionalisierten Zwecke in den Blick nehmen. Krisen erzeugen den Anschein, ein unmittelbares Objekt der Kritik zu sein. Damit erzeugen sie Krisen in der Theorie und der Kritik. Dieser Befund gilt analog für empirische Gerechtigkeitsdefizite, sog. ‚soziale Pathologien‘, aber auch für die Stoßrichtung mancher neuen sozialen Bewegungen. Der Vortrag thematisiert notwendige Elemente theoretischer Kritik, die Notwendigkeit solcher Kritik überhaupt als Voraussetzung einer sinnvollen Praxis sowie auch das Problem der Theoriefeindlichkeit. Es geht also um die Vergegenwärtigung kritischer Theorie.

Der Vortrag ist Teil der Veranstaltungsreihe "Gesellschaftskritik in der Krise" des Referates politische Bildung.