Vortrag: "Identität ist (k)ein Schicksal?! - Aktuelle Identitätspolitiken zwischen ,Multikulturalismus‘ und ,Ethnopluralismus‘" (Judith Goetz)

Datum: 
Donnerstag, 22. Juni 2017 - 18:30 - 20:00
Ort: 
HSZ/201/U
Veranstaltet von: 
Referat politische Bildung

Do, 22.06.2017, 18:30 Uhr, : "Identität ist (k)ein Schicksal?! - Aktuelle Identitätspolitiken zwischen ,Multikulturalismus‘ und ,Ethnopluralismus‘" (Judith Goetz)

Politische Diskurse rund um Identität und den damit verbundenen Bedürfnissen nach Distinktion und Zugehörigkeit erfahren seit einigen Jahren eine neue Renaissance. Darin spiegelt sich einerseits die Anforderung an Individuen wieder, über eine (stabile) Identität zu verfügen, andererseits verfolgen identitätspolitische Angebote nicht zuletzt den Zweck durch Identifikationsmöglichkeiten bestimmte (teils nationalistisch oder völkisch definierte) Kollektive zu stärken. So ist die Herstellung von Zugehörigkeit mittels Identifikation stets auch mit Ein- und Unterordnung sowie Ein- und Ausgrenzung verknüpft.
In diese Politiken der mangelnden Identifikationsmöglichkeiten für Nichtangehörige der Mehrheitsgesellschaft und deren Nicht-Anerkennung intervenierten seit den 1980ern u.a. antirassistische Ansätze des Multikulturalismus. Durch den starken Fokus auf Aspekte der „kulturellen Bereicherung“ und der Vorstellung „gleichwertiger Kulturen“ in der Auslegung des Konzepts im deutschsprachigen Raum wurden nicht nur erneute Abgrenzungen begünstigt, sondern auch die Bekämpfung damit verbundener Ausgrenzungsmechanismen vernachlässigt. Dass derartige Denkmuster auch heute nicht an Aktualität eingebüßt haben, sondern sich teilweise weiter zuzuspitzen scheinen, zeigt sich u.a. in den Debatten rund um „cultural appropriation“. Dieses Konzept geht nicht nur abgrenzbaren, (aufgrund ihrer Benachteiligung) schützenswerten und damit scheinbar unveränderbaren Kulturen und kulturellen Identitäten aus, sondern versucht mögliche Vermischungen und Verwischungen in Form von Anleihen aus diesen Kulturen durch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft zu verhindern.
Ähnlicher Argumentationsmuster bedient sich auch das aktuell vor allem bei den „Identitären“ verbreitete Konzept des „Ethnopluralismus“, das ebenfalls von klar von einander abgrenzbarer „Kulturen“ oder „Ethnien“ ausgeht und dessen Vertreter_innen sich als Bewahrer_innen der „ethnokulturellen“ Identität ihres Volks inszenieren. Das (erkämpfte) Recht auf Differenz wird in dieser Adaption zur Pflicht zur Differenz umgedeutet.
Beide Bezugnahmen auf Kultur scheinen folglich die Vorstellung der Verschiedenheit bzw. Verschiedenartigkeit der Kulturen und der damit verbundenen Notwendigkeit „ethnokulturelle Identitäten“ auch zu schützen zu teilen. Im Vortrag mit anschließender Diskussion soll daher den Fragen nachgegangen werden,warum sich gerade jetzt identitätspolitische Ansätze erneuter Popularität erfreuen können, welche Bedürfnisse und Funktionen sie für Individuen aber auch Gruppen erfüllen und worin Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede der Bezugnahmen auf „Identitätspolitik“ von Links wie auch von Rechts bestehen.