Antrag S/2011-005

Antragsnummer: 
S/2011-005
Antragstyp: 
Antrag
AntragsstellerIn: 
Martin Beyer
Antragstitel: 
Ablehnung des Qualitätssicherungssystems
Antrag: 

 

  1. Der StuRa lehnt die Einführung des Qualitätssicherungssystems in der derzeit geplanten Form ab.

  1. Der StuRa entzieht dem Ausschuss ProQ das Mandat im Namen der Studierendenschaft mit der Hochschule zu verhandeln und mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

  1. Die Geschäftsführung des Studentenrates informiert das Rektorat innerhalb von 3 Werktagen darüber, dass eine Abstimmung der Planungen des Qualitätssicherungssystems bis auf weiteres mit den Stura-Plenum erfolgt.“

 

 

Begründung zu Punkt 1:

 

  • Qualitativ hochwertige Lehre ist ein kreativer Prozess, der in erster Linie von den Lehrenden selbst geleistet und in zweiter Linie durch die Organisation der Lehre in den Studienkommissionen beeinflusst wird.

    • Das Qualitätssicherungssystem berücksichtigt weder den einzelnen Lehrenden, noch die Studienkommissionen, noch den Beitrag der Studierenden als Tutoren oder Gremienmitglieder.

    • Es gibt bisher kein Budget um positive Anreize zu setzen (Prämien). Deswegen wird das System ausschließlich mit Sanktionen arbeiten, dass heißt konkret negative Verstärkung (z.B. Kürzung von Mitteln solange bis ein bestimmtes Ziel erreicht wurde), beziehungsweise Strafen (z.B. Kürzung von Mitteln jedes mal wenn eine Fachrichtung in einer Art und Weise handelt die einen Qualitätsziel zuwider läuft).

      • Durch Bestrafung kann nur ein Vermeidungsverhalten erreicht werden, das heißt es kann maximal verhindert werden, dass eine Fachrichtung einen Qualitätsziel zuwider handelt. Handlungen im Sinne der Qualitätsziele können durch Strafen nicht hervorgerufen werden. Das Ergebnis sind neurotische Ratten und unzufriedene und demotivierte Akademiker

      • Negative Verstärkung ist zwar dazu geeignet ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen, allerdings muss das gewünschte Verhalten dazu im Detail bekannt sein und eine enge Feedbackschleife gewährleistet werden (bei positiver Verstärkung besteht das gleiche Problem, auch wenn sie etwas effizienter ist). Universitäten sind Expertenorganisationen in denen jeder einzelne soweit spezialisiert ist, dass er gleichzeitig der einzige ist der seine Tätigkeit im Detail beurteilen kann. Dadurch ergibt sich das Problem, dass das Verhalten das durch die Steuerung erreicht werden soll, gar nicht bekannt ist. Das Ergebnis ist eine ineffektive Steuerung und aufgrund der Art der Beeinflussung (negativer Anreiz) ein unzufriedener Akademiker.

    • Durch direkte Beeinflussung des Verhaltens wird es also kaum gelingen die Professoren und Studienkommissionen zu mehr qualitätsbewussten Handeln zu bewegen. Es bleibt als zweite Alternative nur die Beteiligten dazu zu motivieren, freiwillig bessere Leistungen zu erbringen. Das kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden

      • Bessere Bezahlung: Professoren werden schon sehr gut bezahlt und sollten sich damit im flachen Teil ihrer Grenznutzenkurve befinden, oder mit anderen Worten sie haben schon so viel Geld dass etwas mehr keinen Unterschied macht. Bei den SHKs sieht das natürlich anders aus, aber das geplante Modell sieht leider keine bessere Bezahlung von Studierenden vor.

      • Mehr Kompetenzen: Die Professoren haben, durch die föderale Struktur der Universität und die Freiheit von Forschung und Lehre, schon ein Höchstmaß an Kompetenz und sind auf diesen Weg kaum zu motivieren.

        • Auch bei gleichbleibenden Kompetenzniveau der Professoren, wird bei gleichzeitigen Einsatz von extrinsischen Rekonstruktionsinstrumenten (=Geld), ein Verlust an intrinsischer Motivation eintreten (Unterminierungseffekt) eintreten

    • ProQ geht einen anderen Weg und setzt nicht auf die Motivation und freiwillige Mitarbeit der für die Qualität entscheidenden Personengruppen, sondern versucht sie durch Regeln in ein formales Qualitätssicherungssystem einzubinden.

      • Für die engagierten Studierenden, ist mit der Einführung von ProQ ein Verlust an Kompetenz verbunden, weil sie in den Studienkommissionen Ziele umsetzen müssen die ihnen von oben vorgegeben werden, anstatt eigene Ziele verfolgen zu können. Sofern der Zielsetzungsprozess überhaupt Bottom-Up-Elemente enthält sind diese sehr wahrscheinlich zwischen Rektorat und Dekanaten angesiedelt. Die Studierenden haben also keinen Einfluss auf die Ziele die sie in ihrer Studienkommission umsetzen sollen.

      • Die Studierenden werden durch die lange Dauer eines Zyklus auch ihrer wichtigsten Motivation zur Mitarbeit beraubt: Der Möglichkeit das Ergebnis der eigenen Arbeit auch noch mit eigenen Augen sehen zu können. Die allermeisten Studenten werden es höchstens einmal erleben das Zielvereinbarungen verhandelt werden (sofern sie daran überhaupt beteiligt werden), den auf den Ergebnissen aufbauenden nächsten Zyklus werden sie nicht mehr an der Uni erleben. Aus Sicht der studentischen Mitarbeit ist jeder Zyklus von über 2 Jahren zu langfristig

      • Auch die Professoren verlieren Kompetenz, die Folge wird auch bei ihnen Frustration sein.

      • Sowohl auf die Professoren, als auch auf die Studierenden kommt ein Mehraufwand zu (zusätzliche Kommunikation u.a. Stellungnahmen, zusätzliche Aufwand bei der Erstellung von Studiengängen durch zusätzlich zu beachtende Ziele). Dieser Aufwand wird nicht durch eine verbesserte Motivation kompensiert und das wird überraschenderweise zu mehr Frustration führen

    • Der Ansatz die Beteiligten zu ihren Glück zu zwingen, ohne ihnen irgendetwas dafür zurück zu geben, erscheint, angesichts der vielfältigen Möglichkeiten sich diesen Anforderungen auf individueller Ebene zu entziehen, nicht besonders klug.

      • Da die Ziele auf Fakultätsebene vereinbart werden sich die Professoren wahrscheinlich als Trittbrettfahrer betätigen und solange wie irgend möglich darauf setzen das andere tätig werden.

      • Die Studierenden, werden sich einfach andere Hobbys suchen und ihre wertvolle Zeit nicht mehr für die Gremienarbeit verschwenden.

  • Die organisatorische Umsetzung des ganzen birgt auch einige Fallstricke

    • In anderen Universitäten hat sich die Überprüfung der Zielerfüllung als zentrale Hürde bei der Umsetzung in die Praxis erwiesen. Es existiert zwar ein Indikatorenkatalog, die Praxis hat aber gezeigt, dass, trotz existierender Indikatoren, statt kontinuierlichen Verbsserungsprozessen, vorwiegend einzelne Projekte zum Inhalt von Zielvereinbarungen gemacht werden. Dass hat in der Umsetzung strategischer Ziele noch eine gewisse Berechtigung, zur kontinuierlichen Qualitätserbesserung ist die Möglichkeit auch langwierige und kleinteilige Prozesse bewerten zu können aber unerlässlich.

    • Es ist völlig offen wie die vereinbarten Ziele vom Dekanat nach unten weitergegeben werden sollen. Die Studienkommission ist glücklicherweise mit sehr weitreichenden Kompetenzen ausgestattet und zudem paritätisch besetzt und kann nicht einfach dazu verpflichtet werden bestimmte Ziele umzusetzen. Durch die weitgehende Unabhängigkeit der Studienkommissionen, sind Manipulation und Erpressung die einzigen Mittel um bestimmte Ziele gegen den Willen der Studienkommission durchzusetzen.

    • Es gibt noch kein gangbares Beschwerdemanagement, im Moment ist vorgesehen, das Beschwerden den gleichen Weg über die Gremien gehen wie alle anderen Informationen, was kaum zu einer prompten Verbesserung von Missständen führen dürfte. Es gibt auch kein Schiedsverfahren, das heißt im Moment geht man davon aus das entweder keine Konflikte auftreten, was naiv ist oder dass das Rektorat Konflikte autoritär befriedet, was ziemlich zynisch ist.

  • Auch politisch ist dass Qualitätssicherungssystem durchaus ambivalent zu sehen.

    • Das Qualitätssicherungssystem ist ein weiterer Schritt zur Dystopie einer rein an wirtschaftlicher Logik ausgerichteten Universität, in der Studierende Kunden sind die zwar auf die von ihnen bezahlte Leistung pochen können, an der Erstellung dieser Leistung aber nicht mehr beteiligt sind. In dieser Dystopie werden die Einflussmöglichkeiten der Mitgliedergruppen auf ein Minimum geschrumpft sein, durch den Einsatz interner Steuerungsinstrumente, wie zum Beispiel von Zielvereinbarungen, wird ein starker Rektor an der Spitze einer vertikal organisierten Hochschule jede Maßnahme, die er für notwendig hält um anderen Hochschulen am Markt zu konkurrieren, ohne Widerspruch durchsetzen können.

      Auch wenn der StuRa der TU Dresden diesen Entwicklungen, die sich im nationalen und internationalen Maßstab vollziehen, scheinbar nichts entgegenzusetzen hat, ist es dennoch wichtig das wir uns nicht arrangieren, sondern opponieren!

      • Die auf Harmonie bedachte Zusammenarbeit von ProQ mit der TU Dresden hat für die Studierenden keine positiven Effekte gezeigt. Die Universität ist sich, im Gegensatz zu uns, sehr wohl bewusst wer die Hosen anhat, was wichtig ist und was nicht. Die TU hat sich in den wesentlichen Punkten der Struktur keinen keinen Schritt bewegt, sonder nur geschickt unwesentliche Punkte wie den relativ beliebigen Qualitätszielkatalog den Studierenden überlassen um sie einzubinden und abzulenken.

      • Die Studierenden haben bei der Ausgestaltung der Qualitätssicherung laut Gesetz praktisch nichts zu melden. Nichtsdestotrotz, stehen die geringen Chancen etwas zu bewirken, wenn wir dagegen opponieren, einer völligen Chancenlosigkeit gegenüber wenn wir gar nichts tun. Wir müssen auch bedenken, dass die Professoren wesentlich mehr Einfluss haben als wir und dass sie potentiell den Qualitätssicherungssystem eher negativ gegenüber stehen.

      • In diesen Zusammenhang ist auch die Stellungnahme der KSS zur Hochschulsteuerungsverordnung vom 2. Juni 2009 interessant, die auch der Studentenrat über die KSS-Delegierten mitgetragen hat und die sich kritisch mit der staatlichen Steuerungswut und übermäßig bürokratischen Instrumenten auseinandersetzt. Weiterhin ist auch der vom Studentenrat befürwortete Forderungskatalog der Besetzung des Pot81 lesenswert, da er explizit gegen eine weitere Ökonomisierung der Hochschulen ausspricht und einen beispiellosen Diskussionsprozess in der Studierendenschaft widerspiegelt.

    • Es hat auch niemand außer den Studierenden ein unmittelbares Interesse daran die Qualität der Lehre zu heben. Die TU Dresden kann sich mit den Wissen um den steigenden Stellenwert akademischer Bildung (gerade im technischen und naturwissenschaftlichen Feld) und um die bundesweite Knappheit von Studienplätzen (zu niedrige Akademikerquote, Hochschulpakt, Ausbleiben der demografischen Katastrophe, Bundeswehrreform, etc.) entspannt zurücklehnen. Anderswo wird die Qualität noch schlechter sein und die Studiengebühren und NCs werden noch höher sein als bei uns und die Studierenden werden von allein zu uns kommen. Die TU braucht keine hervorragende Qualität, die TU muss sich auf dem Feld der Forschung bewähren, weil das von der Politik so gewünscht ist. In der Lehre genügt solides Mittelmaß völlig. Das Qualitätssicherungssystem verfolgt auch nicht das Ziel die Qualität zu steigern, dazu ist wie es bereits oben dargelegt nicht geeignet. Vielmehr möchte die Universität (speziell die Administration) sich mit den geringst möglichen Kosten des Problems der Akkreditierung entledigen und gleichzeitig den Umbau in eine horizontale Organisation fortführen.

    • Die zunehmenden Versuche eine straffere Steuerung an den Hochschulen einzuführen, sind die Reaktion auf krisenhafte Veränderungen. Diese Krise ist einerseits eine Krise der Steuerung, die durch eine zunehmende Komplexität und Ausdifferenzierung der Gesellschaft verursacht wird und andererseits eine Krise der Leistungserstellung in Forschung und Lehre, die ihre Ursache unter anderen in immer höhere externen Anforderungen an die Universitäten bei stagnierenden oder sinkenden Ressourceneinsatz für die Universitäten hat. Dieser Krise wird nicht dadurch begegnet, dass man die gestiegenen Komplexität einbezieht und den Universitäten überhaupt erst die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, sondern dadurch das man in alte autoritäre Muster zurückfällt und die Universitäten dem ökonomischen Imperativ aussetzt. Die TU Dresden ist nicht mit dem SMWK identisch, dass von die Politik beliebig gesteuert werden kann und sie ist auch nicht die Deutsche Bank die sich am Markt behaupten muss (auch wenn unser neuer Rektor in diesen Punkt anderer Meinung ist)! Wir brauchen neue Konzepte die den geänderten Bedingungen und den besonderen Umständen an Hochschulen gerecht werden und nicht schlecht adaptiertes, Jahrzehnte altes Managementvoodoo!

 

Begründung zu Punkt 2:

ProQ ist mit den oben geschilderten Problemen nicht adäquat umgegangen, bzw. hat keinen Weg gefunden mit ihnen umzugehen und handelt fortdauernd den Interessen der Studierendenschaft zuwider

  • ProQ ist an den eigenen Zielen gescheitert.

    • Es wurde kein eigenes studentisches Konzept für ein Qualitätsmanagementsystem entwickelt.

    • Die immer wieder betonte Transparenz konnte nicht umgesetzt werden, es ist für Außenstehende praktisch unmöglich aktuelle und fundierte Informationen zu erhalten.

  • Die lang andauernde Beschäftigung der Projektmitglieder mit dem Thema unter nur einen bestimmten Blickwinkel, machen einen Neuanfang in anderer Form sinnvoll, um andere Blickwinkel besser berücksichtigen zu können.

Beschlussdatum: 
6. Januar 2011
Status: 
abgelehnt