Referat Politische Bildung

Anstehende Veranstaltungen

Marlene Gallner: Vom ersten zum zweiten Historikerstreit oder: Über die deutsche Staatsraison, postkoloniale Holocaustrelativierung und die Erinnerung an tote Juden als politisches Faustpfand gegenüber Israel

Ort: GER/37/H und per Zoom
Zeit: 08. April um 19 Uhr

Wolfgang Pohrt erkannte schon früh, dass die beiden sich gegenüberstehenden Lager im Historikerstreit der 1980er Jahre nicht so verschieden waren wie sie es gerne für sich reklamiert hätten. Beide versuchten auf ihre Weise, das deutsche Nationalbewusstsein zu exkulpieren. Die konservative Position, die die nationalsozialistische Vernichtungsaktion als Antwort auf den Archipel Gulag begriff und damit die Shoah als etwas nicht spezifisch Deutsches dastehen lassen wollte, argumentierte im Geiste des bis dahin gebräuchlichen Revisionismus. Solcherlei Annahme diente vorrangig dazu, die Deutschen von ihrer Schuld zu befreien und niemand wäre wohl auf die Idee gekommen, daraus ein neues nationales Selbstbewusstsein zu schöpfen. Die linksliberale Position war dafür wesentlich anfälliger, bestand sie doch ausdrücklich auf der Vernichtung als deutsche Tat, forderte die Annahme der Schuld ein, woraus sich – anders als bei den rechten Revisionisten – eine genuin deutsche Identität stiften ließ, die Auschwitz zum negativen Gründungsverbrechen eines besseren Deutschlands verklärte. Es war diese Ansicht, die sich in der offiziellen Politik durchsetzen konnte und schließlich zur Erklärung führte, die historische Verantwortung sei Teil der deutschen Staatsraison – ein Begriff, der nicht ohne Grund bis heute völlig unbestimmt bleibt. Wenn aber die Position, die auf die Einzigartigkeit der Shoah pochte, die Politik jahrzehntelang erfolgreich trug, warum neigen dann im zweiten Historikerstreit, der sich 2020 an den Thesen Achille Mbembes entzündete, und in dem diese Einzigartigkeit von postkolonialer Seite eingeebnet wird, viele linke und linksliberale Akademiker und Publizisten dazu, die deutsche Poleposition im Erinnerungsrennen bereitwillig aufzugeben? Mit der Durchsetzung postkolonialer Theorien an den Universitäten und in der Öffentlichkeit findet eine Neujustierung im Erinnerungsbetrieb statt. Deutschland wird von einer weltoffen sich gerierenden Linken dafür kritisiert, diesen exklusiv auf die Shoah auszurichten und deshalb provinziell zu sein. Bei allem Wandel ergibt sich eine die divergierenden Positionen vereinende Konstante: die Juden dienen als politische Währung, als Manövriermasse, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Marlene Gallner kann selbst leider nicht vor Ort sein und wird daher per Videokonferenz zugeschaltet.

 

Ringvorlesung: Geschichte ohne Subjekt, Subjekt ohne Geschichte

Interventionen zur Geschichtslosigkeit

Ort: objekt klein a, Meschwitzstraße 9, 01099 Dresden

Zeit: 17. April bis 17. Juli 2025, (fast) immer Donnerstags 19 Uhr

Seit Anbeginn der Moderne erkannte der Mensch sich selbst als das Subjekt der Geschichte: er sei es, der seine Geschichte macht und diese daher auch anders machen könnte. Diese Erkenntnis ermöglichte es ihm, die einst „von Gott auserwählten“ Herrscher zu stürzen und den ewigen Kreislauf der Geschichte zu durchbrechen – von nun an soll sie seine eigene sein. Geschichte ist keine bloße Kette von Handlungen, nicht völlig unbestimmt. Vielmehr setzt sie die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen logischen Zusammenhang. Dafür ist die Geschichtsbetrachtung allerdings angewiesen auf ein Telos, eine Idee der Zukunft, denn erst durch diese erscheint die Geschichte als Prozess und die Gegenwart nicht als dessen abgeschlossenes Ergebnis. Die Gegenwart kann so mit der Vergangenheit in einen Zusammenhang gesetzt werden, welcher die Möglichkeiten zur Veränderung in ihr aufzeigt. Diese notwendige Vorstellung der Zukunft war lange Zeit durch die liberale Geschichtsphilosophie des Fortschritts besetzt. Heute erscheinen uns Geschichtsvorstellungen, die an die Idee des Fortschritts anschließen, kaum durch den Menschen bestimmt: sei es Hegels Weltgeist, der sich hinter dem Rücken der Menschen durchsetzt oder Marx' Hoffnung, dass die Produktivkräfte mit den Produktionsverhältnissen soweit in Widerspruch geraten, dass eine kommunistische Revolution unumgänglich werde. Der wahre Kern dieser Vorstellungen ist allerdings, dass sich die kapitalistische Produktionsweise in der Tat hinter dem Rücken der Menschen und durch ihre Handlungen bewusstlos durchsetzt. Der Mensch ist daher nur der Möglichkeit nach Subjekt seiner Geschichte – real bestimmt er sie noch nicht.
Die daran anschließende Kritik der Geschichtsphilosophie, die der Geschichte keinen äußeren Sinn unterschieben will, kann damit die Geschichte gar nicht mehr begreifen. Der Zusammenhang der Geschichte zerfällt in eine Unmenge historischer „Fakten“ (die als solche verdinglicht, d.h. aus ihrem Konstitutionszusammenhang abstrahiert sind), in unzählbare Geschichten. Ganz affirmativ wird auch von Linken postuliert, die Geschichte sei so unbegreifbar wie die Gesellschaft: das Ende der „großen Erzählungen“ sei gekommen. Der Wahrheitskern dieser Ideologie ist, dass sämtliche Geschichtsphilosophien historisch blamiert sind. Von einer List der Vernunft, einem göttlichen Heilsplan oder einer mit Notwendigkeit bevorstehenden kommunistischen Weltrevolution lässt sich angesichts Auschwitz nicht mehr sprechen. Die Geschichte verläuft offenkundig nicht wie eine Lokomotive auf Schienen, deren Zielbahnhof das Land Ou Tópos ist.
Und doch nötigt das Begreifen der Geschichte dazu, ihr einen immanenten Sinn, das Zusteuern auf ein Telos unterzuschieben. Ähnliches gilt auch für das Begreifen der gegenwärtigen Verhältnisse, welches einzig aus einer antizipierten Zukunft möglich ist. Die Marxsche Kritik steht und fällt mit der Möglichkeit des Kommunismus als der vernünftig eingerichteten Gesellschaft. Nur von dieser aus stellt sich die kapitalistische Produktionsweise als unvernünftig dar. Fällt aber dieses Marxsche Wahrheitskriterium – die Möglichkeit der verwirklichten Vernunft – bleibt der Kritikerin der bestehenden Verhältnisse nichts als eine bloße Subjektivität: die Meinung.
Dass das Begreifen und damit auch das Kritisieren der Gegenwart nur aus einer antizipierten Zukunft möglich ist, wird allerdings zum Problem in Zeiten, in denen die Zukunft selbst immer undenkbarer erscheint. Einigen scheint die Geschichte stets im Jetzt zu enden, andere können die Zukunft nicht anders denken denn als Apokalypse oder Wiederkehr der Vergangenheit. Für letztere ist Friedrich Merz nichts weniger als ein zweiter Paul von Hindenburg. Begreiflich, dass sich die Linke angesichts dessen nach der guten alten Vergangenheit sehnt, in der es die Geschichte und die Zukunft noch gab und in der man davon ausgehen konnte, im Proletariat das wirkliche Subjekt der Geschichte gefunden zu haben.
Ist der Mensch also dazu verdammt, auf ewig Spielball der Geschichte, statt ihr Subjekt zu sein? Eine niemals endende menschliche Vorgeschichte? Oder endet der Kapitalismus gar mit Notwendigkeit an seiner inneren oder äußeren Widersprüchlichkeit, dem tendenziellen Fall der Profitrate oder dem Untergraben der Springquellen alles Reichtums? Und was würde naturwüchsig, also ohne bewusste Tat auf ihn folgen – die Barbarei? Dies verwiese abermals auf die Notwendigkeit der Revolution, die aber ihrerseits so undenkbar erscheint wie das Land Ou Tópos.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen soll die diesjährige Ringvorlesung das Problem der Notwendigkeit von geschichtlichem Denken für Gesellschaftskritik beleuchten. Ausgehend von der Frage nach dem Wesen von geschichtlichem Denken und Geschichtsphilosophie soll der Zusammenhang von Geschichte und Gesellschaftskritik behandelt werden. Abschließend soll das Problem der Geschichte mit der andauernden Krise der Linken in Verbindung gesetzt werden.

 

Eine Veranstaltungsreihe mit Sabine Hollewedde, Jan Völker, Ilse Bindseil, Jan Rickermann, Peggy H. Breitenstein, Robert Zwarg, Norbert Trenkle, Stephan Grigat und Alexander Neupert-Doppler

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Für vergangene Veranstaltungen schaut in den Reiter "Veranstaltungen PoB"

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Archive

Hier können alle noch erhaltenen Aufnahmen der Veranstaltungen gefunden werden, die in den letzten Jahren vom Referat für Politische Bildung organisiert wurden. Die Bibliothek wird stetig aktualisiert und ist unter dem Reiter "Lists" nach Reihen und Ringvorlesungen sortiert.

Infos bzgl. aktueller Veranstaltungen findet ihr unter dem Reiter "Veranstaltungen PoB" (rechts)

 

Über das Referat Politische Bildung:

Wir wollen Studierende motivieren, am gesellschaftspolitischen Leben - theoretisch wie praktisch - teilzunehmen und sich aktiv einzubringen. Sie sollen die notwendige Sensibilität entwickeln um herrschende gesellschaftliche Zustände kritisch zu hinterfragen und gesellschaftliche Debatten fundiert mitzubestimmen. Hierfür ist es unabdingbar, die in solchen Debatten immer schon vorhandenen und verwendeten Begriffe bezüglich ihres gesellschaftlichen Gehalts aufzuklären. Wo kommen die Begriffe historisch her, mit denen aktuelle gesellschaftliche Ereignisse gedacht werden? Treffen diese das gedachte Ereignis überhaupt noch und falls nicht, was hat sich verändert? Nur indem die vorausgesetzten Begriffe, die zur Erklärung gesellschaftlicher Ereignisse dienen sollen, aufgeklärt werden, können gesellschaftliche Ereignisse begriffen werden.

Insofern versteht das Referat Politische Bildung die Universität nicht als bloßen Ort des Wissenskonsums, als eine Meinungsfabrik, sondern als einen Raum der aktiven Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken und dem Denken der Gesellschaft.

Einen solchen Raum möchte das Referat Politische Bildung schaffen - und zwar gemeinsam mit den Studierenden. Habt ihr also Lust dies mit uns zu tun, dann kommt bei unseren Veranstaltungen vorbei, bringt euch aktiv ein und macht am besten gleich bei uns mit.

Beste Grüße,

euer Referat Politische Bildung

 

Referent*innen:
  • Paula Knischewski
  • David Luys
Kontakt: pob[at]stura.tu-dresden.de
Social Media
  • Instagram: https://www.instagram.com/refpob_tud/
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Sprechzeit: mit Voranmeldung
Mitglieder:
  • Pauline
  • Paula
  • Alexander
  • Gwendal
  • David
  • David
  • Tim
  • Jakob
  • Hendrik
  • Ben
Aufgaben:

Die Politische Bildung der Studierenden ist die Aufgabe des Referats Politische Bildung. Das bedeutet, Toleranz, Emanzipation und Kritikfähigkeit zu vermitteln und zu stärken und so demokratische Spielregeln bei den Studierenden zu verankern. Verständnis für politische Sachverhalte soll gefördert, und so das demokratische Bewusstsein gefestigt und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit gestärkt werden. Insbesondere zählt zu den Aufgaben des Referats Politische Bildung:

  • Organisation und Durchführung von geeigneten Veranstaltungen (z.B. Seminare, Podiumsdiskussionen),
  • Förderung der demokratischen Fähigkeiten der Studierenden - insbesondere der studentischen Gremienmitglieder - an der TU (z.B. Sensibilisierung für hierachische Strukturen in Diskussionen),
  • Regelmäßige Zuarbeit zu den Medien des StuRa (Internetseite und Newsletter) im Sinne der politischen Bildung und
  • Aufklärung der Student/inn/en über politische Gruppierungen an der Universität

Aus diesen Aufgaben ergbit sich die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit mit dem Referat für Öffentlichkeitsarbeit.